Der eiserne Gustav
Bubi?«
»Lateinisches Scriptum, Vater.«
Hackendahl sieht das Heft etwas hilflos an. »Kannst du nicht besser schreiben? Das ist ein schreckliches Geschmier, Bubi!«
»Och, Vater … Unser Lateinpauker schmiert noch viel mehr, der kann seine eigene Schrift nicht lesen. Wir helfen ihm immer raten!«
»Ganz egal, Bubi. Du mußt sauber schreiben.«
»Jawohl, Vater!«
Erledigt, aus. Nichts weiter zu sagen. Hackendahl wirft noch einen Blick auf das, was Heinz nun schreibt. Die Schriftscheint nicht wesentlich gegen die bisherige verändert. Aber es wird keinen Sinn haben, mit Bubi deswegen zu disputieren …
Hackendahl geht in die Küche.
In der Küche sitzt Mutter beim Kaffee. Hackendahl schnuppert, natürlich ist es der für den Alltag verbotene Bohnenkaffee, statt des angeordneten Malzkaffees! Hackendahl hat es schon hundertmal gesagt, und er sagt es mit Blitzen und Donnern zum hunderterstenmal, daß er dies nicht haben will, daß er sein Geld nicht auf, der Straße findet …!
Und zum hunderterstenmal hat Frau Hackendahl mindestens ein halb Dutzend vollgültige Entschuldigungen für die Übertretung des Verbotes: daß Otto weggefahren ist, daß sie Kopfschmerzen von der Hitze hat, daß ihr das Gejachter zur Bahn nicht bekommen ist, daß sie nur fünf Bohnen in den Malzkaffee genommen hat und so weiter. Und so weiter.
Blitz und Donner, gut. Ein wenig erfrischt geht Hackendahl in sein Zimmer. Auf dem Schreibtisch liegt die Mappe mit den Papieren der Musterungskommission. Hackendahl fällt ein, daß darin die Zahlungsanweisung der Militärverwaltung auf eine erhebliche Summe liegt. Er sieht auf die Uhr: Jawohl, es ist noch Zeit, er kommt noch auf seine Bank. Die Mappe unter dem Arm, marschiert Hackendahl los …
Auf der Bank sieht es ein wenig leer aus hinter den Schaltern, aber noch begrüßt der gewohnte Angestellte Herrn Hackendahl mit der gewohnten nüchternen Höflichkeit: »Na, Herr Hackendahl, bißchen Geld holen?« Und hinter der Hand geflüstert: »Es ist eben reingekommen: Die Einlösungspflicht für Banknoten ist aufgehoben.«
»Was heißt das?!« fragt Hackendahl, ein wenig ärgerlich. (Er ist immer ärgerlich, wenn er etwas nicht gleich versteht.) »Es gibt für die Banknoten kein Gold mehr. Das Gold wird aus dem Verkehr gezogen.«
»Nun, es wird schon richtig sein«, sagt Hackendahl. »Alles, wie es die Regierung anordnet. Ich habe meine Gäule auch abliefern müssen.«
Und er schiebt die Zahlungsanweisung über den Tisch.
Der Angestellte sieht sie an. »Ein schöner Betrag«, sagt er anerkennend. »Aber es waren sicher auch schöne Pferde? Auf Kontokorrent, Herr Hackendahl? Vorläufig – natürlich, ich verstehe schon. Vielleicht später ein paar Papiere kaufen, ich glaube, gute Papiere werden bald billig zu haben sein, die Leute verkaufen!«
»Ich werde es mir überlegen«, sagt Hackendahl. Und ganz plötzlich: »Vielleicht kaufe ich mir lieber ein paar Autotaxen …«
Es war ihm plötzlich so eingefallen. Nicht, daß solcher Kauf etwa wirklich in Frage kam. Aber man konnte ja einmal hören, wie solch ein Bankmensch darüber dachte …
Natürlich war der Mann Feuer und Flamme. »Ausgezeichnete Idee, Herr Hackendahl!« sagte er beifällig. »Sie sind ein wirklich fortschrittlicher Mann. Das Pferd ist tot, ein Auto ist viel schicker!«
»Wenn das Pferd tot wäre, hätte die Militärverwaltung wohl nicht soviel dafür bezahlt, junger Mann!« sagte Hackendahl ein wenig grimmig. »Warum sind Sie denn eigentlich noch nicht bei den Soldaten?«
»Vorläufig bin ich noch von meiner Bank reklamiert«, antwortete der junge Mann wichtig, »Unabkömmlich!«
Er sagte das »Unabkömmlich« recht geschwollen, fand Hackendahl.
»Na denn Mahlzeit!« sagte Hackendahl und ging.
Ekelhafter Kerl! dachte er. Wichtigtuer! schalt er.
An die Litfaßsäulen klebten sie schon die Bekanntmachung, daß Banknoten nicht mehr in Gold umgewechselt wurden. Es war bestimmt gleichgültig. Er hatte nie daran gedacht, mit seinen Scheinen zur Reichsbank zu gehen und auf Umwechslung zu bestehen. Er hatte bisher der Reichsbank vertraut und der Regierung. Und er würde es weiter so halten … Kein Gedanke an Unruhe. Geld war Geld, ob aus Papier oder Gold …
Hackendahl geht jetzt durch die Kleine Frankfurter Straße. Ihm fällt ein, daß hier ein Lokal ist, wo oft Pferdehändlersitzen. Er wird einmal nachsehen, ob jemand da ist. Er kann dann hören, wie es mit Pferden steht. Ein paar Pferde mehr im Stall wäre nicht
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