Der Eiserne König
»
Gehorche
!«
Der beleidigte Grimm reckte zum Zeichen des Rückzugs das Schwert. Die Karontiden luden sich verwundete Kultknechte auf die Schultern, und dann beeilte sich die Schar, der Wilden Jagd zu folgen, die aus der Grotte in einen der Gänge strömte, als wäre dieser ein Trichter zu einer anderen Welt.
All dies ging so schnell, dass der ausgelaugte Kunz nichts davon mitbekam – als er sich umsah, waren die Feinde wie vom Erdboden verschluckt. Ringsumher lagen die Toten des Kampfes. Alles stank nach Blut. In der Marterhöhle klopfte Horn auf den Ranzen, und die sieben Recken verschwanden.
Mit dem Zusammenbruch der Lichtsäule verdunkelte sich der Himmel. Die bis dahin blaugrün leuchtenden Wolken trübten sich ein. Kurz darauf erlosch auch das blaue Licht der Welse. Die Sonne glühte noch einmal rot auf, dann versank sie hinter dem Horizont.
Die Muhme hustete nervös. Sie zupfte am Band ihrer Haube. Sie legte beide Hände auf den Stock und starrte zum Hag, wo Maleen vom Dunst verschluckt worden war.
»Arme Maleen«, flüsterte der Fuchs. »Sie hat keine Chance gegen den Hag. Sie ist viel zu erschöpft.«
»Wir müssen sie bergen«, sagte der Dachs. »Sonst erstickt sie in diesem finsteren Nebel.«
Die Muhme runzelte zornig die Stirn. Sie trat gegen den toten Helden, der gegen eine Salweide rollte. »Wir haben versagt«, sagte sie. »Auf ganzer Linie.«
»Tja«, erwiderte der Fuchs. »Wie konnten wir uns anmaßen, den Lauf der Geschichte ändern zu wollen? Wir haben uns zu Narren gemacht. Erst haben wir Maleen wegen einer Karte gesucht, die am Ende nutzlos war, und dann haben uns nicht einmal die Welse helfen können. Zauber und Wunder – alles nur Schall und Rauch. Letzten Endes ist man immer auf sich selbst gestellt: Ein Erdenwurm, den Launen des Schicksals ausgeliefert.«
»Schönen Dank für deine Weisheiten«, brummte der Dachs. »Aber ich handele lieber. Ich hole Maleen da raus.«
Da ging ein Rascheln durch den Hag. Die Krähen kreisten aufgeregt kreischend über dem Dunst, als würde eine neue Gefahr drohen.
Die Muhme verengte ihre Augen: Im Nordwesten war eine dunkle, auf den Werder zustrebende Wolke zu sehen. »Das ist ein riesiger Schwarm …«, murmelte sie.
»Hat Maleen die Vögel zu Hilfe gerufen?«, fragte der Dachs hoffnungsvoll.
Der Schwarm näherte sich mit hoher Geschwindigkeit. Bald konnten Dachs, Fuchs und Muhme ein Geschrei vernehmen, das eher an Raubtiere als an Vögel erinnerte.
»Nein«, sagte die Muhme tonlos. »Das sind keine Vögel. Das hier ist … es ist … es sind …«
Atemzüge später kamen die Wesen der Wilden Jagd mit knatternden Schwingen angesaust. Der Schwarm wendete im weiten Bogen über dem Welsfluss, dessen Wasser sprühte und schäumte, und flog auf den Hag zu. Wellen klatschten gegen das Südufer; die Welse tauchten ab. Der den Poren des Mutterstamms entströmende Dunst breitete sich aus, bis er auf beiden Seiten des Werders über den Flussarmen wogte. Beim Näherkommen der Wilden Jagd stieg er zum Himmel auf und wurde von den geflügelten Geschöpfen mitgerissen.
Die Krähen krächzten verwirrt. Dann sammelten sie sich über dem Mutterstamm und flogen hinterher.
»Wir müssen zu Maleen!«, rief Meister Grimbart und rannte los.
Nach einigen Ellen blieb er wie angewurzelt stehen – der Hag wankte wie von Riesen geschüttelt und sank dann knirschend und knackend und ganz langsam in sich zusammen. Aus seinem unteren Rand, auf dem das ganze Gewicht lastete, stäubte es wie aus einem Mahlwerk: Blätter wirbelten über den Werder; Holzstücke sausten wie Geschosse durch die Luft; Dornen stürzten mitsamt den aufgespießten Helden in die Tiefe; und schließlich zeichnete sich die Feste mit Wällen und Wehrtürmen, Bergfried und Schloss in einer Wolke aus Blättern und Spänen vor dem Abendhimmel ab.
Der Dachs sah ungläubig zu.
»Hurra!«, jubelte der Fuchs. »Maleen und die Welse haben doch noch gesiegt!«
Die auf ihren Stock gestützte Muhme sah der Wilden Jagd nach, die den finsteren Dunst wie einen Trauerflor hinter sich herzog. »Sie fliegen zum Greting«, murmelte sie. »Oh, nein, wir haben nicht gesiegt. Unsere Feinde haben die Macht des Mutterstamms abgezogen, weil sie noch gebraucht wird … Es ist noch lange nicht vorbei.«
»Wie meinen?«, hechelte der Fuchs.
Die Muhme starrte ihn an, dann humpelte sie zur Feste. Nach einer Weile rafften sich Meister Grimbart und Reineke Fuchs auf und folgten ihr.
Kunz trottete über
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