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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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den Dunst vertreiben. Sie wollte aufspringen, brach aber sofort zusammen und blieb reglos liegen.
    Die Krähen kreischten triumphierend.
     
    Als Barbera den Kerker verließ, waren sowohl ihr Gewand als auch ihr Dolch blutig. Sie sah sich wachsam um und lief wieder in das Wurzellabyrinth, wo sie dem Pfad folgte, den Eisenhans mit Fingernägeln markiert hatte. Sie hielt einen Bocksbeutel mit dem Blut der blinden Feen. Drei Schnitte, dachte sie, und die Feen hatten ihr Leben ausgehaucht. Sie hatte eigentlich die Entscheidung des Eisernen Königs abwarten wollen, aber angesichts der Wendung im Gefecht hatte sie sofort handeln müssen. Als sie sich vor einer Wurzel bückte, hatte sie das Gefühl, als würde die Erde beben – ein Zittern durchlief die Esche, ringsumher fiel Laub. Dann trat wieder Ruhe ein. Barbera eilte weiter. Als sie den Rand des Labyrinths erreichte, bebte die Erde erneut. Die Esche ächzte, als hätte sie Wehen. Barbera hielt sich an einer Wurzel fest; der Dolch, an dem noch das Blut der Feen klebte, entglitt ihrer Hand und bohrte sich in den Boden. Im nächsten Moment sah sie Grimm, der sich mit seinen Verbündeten der sieben Recken zu erwehren versuchte. Die Sterne auf den Schilden der Recken blitzten, und Barbera wandte geblendet den Blick ab. Da bebte die Erde wieder, dieses Mal länger als zuvor, aber die Kämpfenden schienen nichts zu merken. Nur Horn hob in der Marterhöhle den Kopf, weil Steine von der Decke rieselten. Als Barbera wieder etwas sehen konnte, enthauptete ein Recke gerade mit einem beidhändig geführten Schlag eine Karontide, deren Kopf im hohen Bogen über den Kampfplatz flog. Er rollte bis vor Barberas Füße, und sie wich schreiend zurück. Da bebte es zum vierten Mal. Die Wurzeln zuckten, als wollten sie sich aus der Erde reißen. Ein Regen aus Laub hüllte die Kämpfer ein, und die Esche rauschte so laut, dass sie alles übertönte. Während Barbera den Kopf der Karontide anstarrte, flaute das Beben ab, setzte sich aber gleich darauf umso stärker fort. Risse taten sich zwischen den Wurzeln auf. Keiler reckten die Schnauze und witterten; Wölfe spitzten die Ohren; ein Bär fuhr mitten im Kampf gegen eine Karontide herum.
    Plötzlich trat Ruhe ein. Das über dem Schlachtfeld wirbelnde Laub fiel zu Boden. Der Staub legte sich und enthüllte die blutenden, verdreckten, verschwitzten Kämpfer beider Seiten, die ihre Waffen senkten und sich wie betäubt umsahen.
    Barbera bückte sich nach ihrem Dolch.
    In diesem Moment knarrten überdehnte Fasern; man hörte ein Knacken wie von berstender Rinde, und die Esche stöhnte so langanhaltend und tief, als wollte sie etwas gebären. Barbera wich erschrocken aus, weil die Risse im Boden immer breiter wurden: Erst quoll grauer Rauch heraus, dann erhob sich ein Sausen, das sich allmählich zum Brausen eines Sturmwinds steigerte, und schließlich brachen sie aus den Tiefen der Erde hervor – die Geschöpfe der Wilden Jagd, die bis jetzt unter die Wurzeln der Esche gebannt gewesen waren. Mit dem Tod der Feen war der Zauber erloschen, und die Esche gab preis, was sie so lange in Schach gehalten hatte. Ein nicht enden wollender Schwarm geflügelter, halb menschlicher und halb tierischer Geschöpfe quoll aus Erdspalten, erhob sich in die Luft und flog durch die Grotte. Auf dem Schlachtfeld warfen sich Freund und Feind zu Boden; die Wölfe kniffen winselnd die Schwänze ein.
    Die Furcht der unter einem Wurzelbogen kauernden Barbera schlug in Begeisterung um: Sie hatte die Wilde Jagd befreit! Sie hatte das Gefolge des Eisernen Königs von seinem Bann erlöst! Nun stand dessen Auferstehung nichts mehr im Weg – diese giftgeifernden, angriffslustigen Geschöpfe würden sich zu seiner Gruft begeben und ihm zur Seite stehen. Während die Wilde Jagd durch die Grotte wogte, kroch sie aus dem Wurzellabyrinth und rannte zu Grimm, der verwirrt auf dem Schlachtfeld stand und die Geschöpfe, die ihn umschwirrten, aus rubinroten Augen anstarrte.
    »Was ist das?«, brüllte er, als er Barbera bemerkte.
    »Der Sieg ist unser!«, schrie sie. »Kommt mit.«
    »Der Sieg?«, erwiderte er und wich einem Wesen der Wilden Jagd aus, auf dessen Frauenkörper ein monströser Krötenkopf saß. »Wir haben noch nicht gesiegt. Sieh dich um.«
    »Gib den Befehl zum Rückzug, Dummkopf!«, schrie Barbera. »Wir
haben
gesiegt. Wir müssen fort.«
    Grimm glotzte sie an.
    »Du bist ein Krieger des Eisernen Königs«, zischte Barbera, deren Geduldsfaden riss.

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