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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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einer braune Augen. Beide hatten einen karottenroten, gestutzten Bart und einen wirren Schopf, und wenn Bauch und gesunde Gesichtsfarbe nicht täuschten, wussten sie die Freuden des Lebens zu schätzen.
    »Was geht hier vor?«, donnerte Hilck von der Usse.
    »Ich kann alles erklären!«, rief die Muhme.
    Helmdag, der um wenige Minuten jüngere Zwillingsbruder, erkannte die Muhme und winkte sie zu sich. Währenddessen wälzte ein Krieger das geflügelte Ungeheuer vom Mädchen.
    Maleen beugte sich über sie. »Ist sie tot?«, flüsterte sie und starrte das blutdurchtränkte Gewand des Mädchens an.
    Der Krieger nickte.
    »Das ist eines der Wesen der Wilden Jagd«, sagte Maleen mit erstickter Stimme und zeigte auf das Ungeheuer.
    »Wilde Jagd?«, fragte einer der Krieger ungläubig. »Sieht aus wie ein Kobold mit Klauen, Schuppenschwanz und Flügeln.«
    Hilck von der Usse trat an das Geländer der Freitreppe und rief: »Verbrennt das Monster, bahrt die Tote im Gesindehaus auf und geht wieder an die Arbeit, Leute!«
    Und sein Zwillingsbruder sagte: »Bitte tretet ein, ehrwürdige Muhme, und frühstückt mit uns. Wir hatten heute früh beim Erwachen ein so großes Loch im Magen, als hätten wir seit Wochen nichts gegessen.«
    Die Muhme lächelte vieldeutig und betrat die Eingangshalle des Schlosses. Maleen folgte ihr. Reineke Fuchs und Meister Grimbart liefen hinterher, nahmen angesichts der kläffenden Jagdhunde aber Reißaus.
    »Wir sehen uns später!«, rief der Dachs über die Schulter.
    »Ja, wir versorgen uns lieber selbst«, keckerte der Fuchs.
    Sie flitzten über den weiten Hof und verschwanden zwischen den Wirtschaftsgebäuden.
     
    »Ein Dornenhag?«, fragte Hilck von der Usse verblüfft. »Ein Zauberbann? Ein langer Schlaf? Die Wilde Jagd? Was faselt Ihr da, Muhme?« Er ließ die Butterwecke auf den Zinnteller sinken.
    »Vom äußeren Ringwall könnt Ihr die Reste des Hags sehen«, sagte die Muhme.
    Die Zwillingsbrüder tauschten einen ratlosen Blick.
    »Und die dreizehn weisen Weiber sollen sich gegen Pinafor verschworen haben?«, fragte Helmdag. »Sie bedrohen die Esche? Das ist kaum zu glauben.«
    »Auf jeden Fall eines der weisen Weiber«, sagte Maleen. »Sie heißt Barbera.«
    Hilck hob die Brauen. »Die süße Kleine? Prächtig, prächtig! Ein guter Witz.« Er lachte schallend.
    »Ihr habt lange Zeit geschlafen. Seht Euch die Überreste des Hags an«, erwiderte die Muhme gereizt. »Und das graue Laub der Bäume. Sprecht mit den Welsen, wenn Ihr wollt.«
    »Die Welse sind zurückgekehrt?«, fragte Helmdag.
    »Habt ihr über Bratspeck und Rührei das stumme Mädchen vergessen?«, warf Maleen ein. »Erst hat man sie missbraucht, um die Feste mit einem Schlafbann zu belegen, dann wurde sie von einem Wesen der Wilden Jagd erschlagen. Ihr habt es doch gesehen!«
    »Ach, ja, das arme Ding«, murmelte die Muhme.
    »‹Ding‹?«, fragte Maleen zornig. »Sie war ein Mensch.«
    »Tja, ehrwürdige Muhme«, brummte Hilck, »es gibt wohl nur zwei Möglichkeiten: Entweder wollt Ihr uns einen gewaltigen Bären aufbinden oder Pinafor droht wirklich Gefahr.«
    Die Muhme klemmte sich die Pfeife zwischen die Zähne und zuckte wortlos mit den Schultern.
    Während die Gografen, denen der Appetit vergangen zu sein schien, schweigend dasaßen, sah sich Maleen im Rittersaal um. Die Flammen des Kaminfeuers verblassten im Licht der Mittagssonne, das durch die Spitzbogenfenster fiel. Die Holzdecke war mit Szenen aus den Sagen Pinafors ausgemalt worden: der Kampf gegen die Schwarzen Wölfe; der Eiserne König mit dem Eschenpflock im Herzen; der Heerzug des siegreichen Gografen und seiner Getreuen, der sich auf die Feste zuschlängelte; die dreizehn weisen Weiber, die sich geißelten, um Unheil von Pinafor abzuwenden; die drei blinden Feen, seit uralten Zeiten die Hüterinnen der Esche. Die Ränder der Decke hatte man mit Vignetten von allerlei Pflanzen und Tieren verziert.
    Eine Schlachtszene, die sich ganz hinten über dem Kamin befand, war Maleen fremd: ein Heer wurde auf sumpfigem Grund von Karontiden bedrängt; der untere Bildrand zeigte Mücken, Maulwürfe und Ameisen, der obere eine Hand mit gespreizten Fingern. Maleen ging alle Sagen und Legenden durch, konnte die Szene aber nicht einordnen.
    Hilck von der Usse unterbrach ihre Gedanken. »Führt uns zu den Welsen«, sagte er und kraulte einen Jagdhund. »Wenn sie tatsächlich wieder da sind, glauben wir Euch.« Er stand auf und befahl, eine Kutsche vorfahren zu lassen.
    Auf

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