Der Eiserne König
als Opfergabe ihre Spelzen, Grannen und halb vermoderten Körner – bald wogte eine riesige, gelblich schimmernde Wolke über dem Land. Die Halme sanken wieder zu Boden, als wären sie zu Tode erschöpft.
Und der Wind wurde immer stärker.
Hilck und Helmdag von der Usse galoppierten nach Westen, um in ihrer Feste Schutz zu suchen, aber die Rösser waren zu erschöpft. Der Knappe, der ein weniger gutes Pferd ritt, fiel immer weiter zurück, und die Wilde Jagd holte auf.
Die drei Reiter galoppierten über Felder, Wiesen und Wege, sie gaben ihren Rössern die Sporen und nahmen einen Hügel nach dem anderen. Hilfe war nicht in Sicht. Die Felder waren menschenleer, und wenn sie ein Dorf passierten, johlten die Bewohner wütend oder verbargen sich in ihren Hütten. Dann kam die Beeke in Sicht. Die Gografen ritten in den Fluss und zügelten ihre entkräfteten Rösser, die durstig tranken. Hilck von der Usse wischte sich Schweiß von der Stirn und hob den wunden Hintern vom Sattel. »Wir schaffen es nicht«, sagte er zu seinem Zwillingsbruder, der den Helm absetzte, um sein knallrotes Gesicht zu kühlen. »Bis zu unserer Feste sind es noch zehn Meilen. Das halten die Pferde nicht durch.«
»Wo steckt unser Heerbann?«, fragte Helmdag. »Sie müssten uns doch gefolgt sein.«
Da kam der Knappe angetrabt. Am Flussufer brach sein Pferd zusammen, und er fiel ins Wasser.
Hilck streichelte das hechelnde Tier und sagte: »Das war es dann wohl. Auf in den Kampf.«
»Die Feste ist nah, unser Bann ist unterwegs, und wir beißen wegen deiner hochprozentigen Schnapsidee ins Gras«, rief Helmdag erzürnt. »Großartig.« Er sah zur Wilden Jagd, die in einiger Entfernung kreiste, als wollte sie ihre Beute auf die Folter spannen.
»Du kannst verschwinden, wenn du möchtest«, sagte Hilck zu seinem Knappen. »Ich entlasse dich aus meinen Diensten.«
Hans-mein-Igel erhob sich aus dem Fluss. Als er die Stacheln sträubte, sprühten glitzernde Tropfen. Er betrachtete erst sein Pferd, dann die rotbärtigen, schwitzenden Zwillingsbrüder, die ihren Helm unter den Arm geklemmt hatten. Dann sagte er: »Wenn ich Dudelsack spielen und einen Gockelhahn reiten kann, kann ich auch kämpfen. Ich lasse Euch nicht im Stich.«
Hilck von der Usse trat einen am Ufer liegenden Stein weg. »Das ist der Geist, den wir brauchen«, murmelte er. »Wenn ich an diese verwöhnten und verlotterten Bastarde denke, die uns die Gefolgschaft verweigert haben …«
Sein Bruder ließ die Wilde Jagd nicht aus den Augen. »Sie greifen uns nicht an«, sagte er. »Sie kreisen und kreisen, als würden sie auf etwas warten.«
»Oder als hätten sie vor etwas Angst«, bemerkte der Knappe, der die Augen mit einer Hand beschattete.
»Wohl kaum«, erwiderte Hilck und stapfte die Uferböschung hinauf. Er war fast oben, als er erstarrte. »Bei den Gebeinen unserer Ahnen!«, rief er. »Was ist
das
?«
Die beiden anderen Männer eilten zu ihm. In der Ferne, über den weiten Feldern Flutwiddes, war eine graugelb glitzernde Wolke zu sehen, die rasch auf die Wilde Jagd zuwogte. Die am Kopf klebenden Haare der Gografen wurden von einem Wind zerzaust, und Helmdag rieb sich Staub aus den Augen. Die Wilde Jagd kreiste immer noch. Sie schien zu zögern. Im nächsten Moment wurde der Schwarm, der gerade im Bogen aufsteigen wollte, mit voller Wucht von der Wolke getroffen – einer Wolke aus Grannen, Spelzen und Körnern, die einem Geschosshagel glich. Die drei Männer sahen, wie Ungeheuer mit zerfetzten Flügeln in die Tiefe trudelten. Andere stürzten ab wie Steine. Noch bevor sich die Wilde Jagd zerstreuen konnte, hatte die Wolke kehrtgemacht und fegte erneut mitten durch den Schwarm. Wieder gab es zahlreiche Verluste. Das Geschrei der bedrängten Ungeheuer drang bis zur Beeke, wo die Männer die Augen verengten, weil ihnen der Wind mit Macht ins Gesicht blies.
»Bäh! Das ist Kaff«, rief Helmdag, der sich Spelzen aus dem Gesicht wischte.
»Und Körner«, ergänzte der Knappe und zeigte zu Boden.
»Das faulige Getreide von den Feldern Flutwiddes …«, sagte Hilck verblüfft.
Die Wilde Jagd löste sich panisch auf. Ihre Geschöpfe flogen in alle Richtungen davon und waren schon bald außer Sicht. Einige zogen über die drei Männer hinweg, kreischten noch einmal gellend und wie als Drohung, griffen aber nicht an. Die graugelbe Wolke wogte noch eine Weile am Himmel über den Feldern, als wollte sie abwarten, ob sich die Wilde Jagd wirklich zerstreut hatte. Dann zerstob
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