Der Eiserne König
auch sie. Grannen, Körner und Spelzen prasselten auf die Männer, und der Wind flaute ab.
»Wer mag uns da geholfen haben?«, fragte Helmdag.
Hilck von der Usse zuckte ratlos mit den Schultern.
Wenig später erschien der Heerbann in der Ferne.
Noch ein flacher Hügel, dann würden Welsfluss und Feste in Sicht kommen. Die Männer, die dem Frieden nicht trauten, blieben wachsam, aber die Wilde Jagd ließ sich nicht blicken.
»Die Ragnarökk?«, fragte Hilck von der Usse. »Unfassbar – dass es sie überhaupt gibt, meine ich. Für mich waren sie nur eine Legende.«
»Wenn irgendjemand diese Wolke beschworen hat, dann sie«, erwiderte der Ritter, der den Heerbann in Abwesenheit der Gografen angeführt hatte.
»Stehen sie uns im Kampf gegen den Eisernen König bei?«, fragte Helmdag.
»Das glaube ich nicht«, antwortete der Ritter. »Sie sind … nun, ja – sie sind sehr scheu und außerdem nicht gut auf uns zu sprechen.«
»So kehren wir heim: ohne Heer, ohne Verbündete und ohne Ausicht auf Erfolg. Ein Jammer«, brummte Hilck und klopfte seinem müden Streitross auf den Hals. »Jetzt können wir uns nur noch in der Feste verschanzen und auf ein weiteres Wunder hoffen.«
Sie trabten auf den Hügel oberhalb des Welsflusses, gefolgt von den Freiwilligen. Da scheute das Pferd des voranreitenden Bannerträgers und brach wiehernd zur Seite aus. Als die Gografen die Hügelkuppe erreichten, erstarrten sie in ihren Sätteln – die Feste wurde vom Heer des Eisernen Königs belagert. Rauch wölkte über dem äußersten Ringwall. Die Besatzung wehrte sich gegen einen mit Rammböcken und Sturmleitern durchgeführten Angriff. Steinschleudern und Katapulte verrichteten ihr zerstörerisches Werk.
»Das ist das Ende«, flüsterte Hilck von der Usse und ließ den Kopf hängen. »Aus und vorbei.«
Helmdag starrte entgeistert zum Werder, der von Feinden nur so wimmelte, darunter zahllose Karontiden. Die Wilde Jagd sammelte sich am Himmel.
Dann brannten die ersten Türme.
24. Verheerung
Im Dorf in Flutwidde, das die Gografen als Erstes aufgesucht hatten, ging das Leben seinen liederlichen Gang: In der Schenke wurde gezecht und gewürfelt; man feierte das, was man für Freiheit hielt, prahlte damit, die Gografen verjagt zu haben, und ließ das Gold in der Schankstube springen; erst sang man gemeinsam, dann kam es wegen Nichtigkeiten zu Schlägereien. Niemand nahm zur Kenntnis, dass das Laub der Ulme, einst ein prächtiger Baum, in dessen Schatten die Landmänner ihr Feierabendbier getrunken hatten, ergraute und fiel und der Stamm von einer Schimmelschicht bedeckt war. Niemand bemerkte, dass das verdreckte, abgemagerte Vieh auf den Weiden nicht mehr satt wurde, weil das Gras verdorrte. Auch die Frauen griffen zu Holunderschnaps und Brombeerlikör, um ihre Trauer über verschwundene Töchter und ihren Ärger über faule, untreue Männer zu ertränken, und die verwahrlosten Kinder trieben Schabernack.
Eines Mittags kam ein Mann angeritten. Er trug einen weißen Umhang und einen Brustharnisch, und anstelle des rechten Arms entsprang seiner Schulter ein Säbel. Er führte sein Pferd am Zügel durch das Dorf, stieg über Landmänner, die im Straßenstaub schnarchend ihren Rausch ausschliefen, und trat die Schweine aus dem Weg. Der Vogt, der die Tage in wechselnder weiblicher Gesellschaft im Bett verbrachte, wollte gerade nach draußen auf das Plumpsklo gehen, als er den Fremden erblickte. Er raffte die Hose und rief: »Heh! Du da! Was willst du hier?« Mit einem Selbstbewusstsein, das der Vertreibung der Gografen entsprang, ging er auf den Einarmigen zu. »Verschwinde«, fauchte er. »Wir haben schon andere Herren als dich aus dem Dorf gejagt.«
»So, so«, erwiderte der Fremde, dessen Pferd mit den Hufen im Staub scharrte. Rotznäsige, zerlumpte Kinder erschienen zwischen den Katen und bückten sich nach Steinen. Als ein Junge warf, riss der Fremde den Säbelarm hoch; der Stein prallte klirrend von der Klinge ab und kullerte gegen einen betrunkenen Schuster, der sich schnorchelnd umdrehte. Der Junge sah den Fremden verblüfft an und schrie: »Hau ab!«
»Ja! Hau ab, Krüppel!«, riefen die übrigen Kinder, die aber nicht zu werfen wagten.
»Kehr um, Vagabund«, sagte der Vogt herablassend. »Verlass unser Dorf. Du hast hier nichts zu suchen.« Er wandte sich ab und wollte zum Plumpsklo schlurfen.
»Ich bin gekommen, um euch zur Unterwerfung unter den Eisernen König aufzufordern«, verkündete der Fremde ruhig.
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