Der Eiserne König
sahen sie, dass die Streitmacht des Eisernen Königs den innersten Wall belagerte. Karontiden rannten mit einem Rammbock gegen das Tor an, Katapulte schossen Brandpfeile auf Bergfried und Schloss, die Wilde Jagd flog unablässig Angriffe. Die Feste war verloren. Erste Verteidiger, darunter die gesamte Reiterei der Gografen, setzten sich durch Fluchttunnel ab, um nicht in Gefangenschaft zu geraten.
Zeisig und Sperling wandten sich nach Osten und überflogen Flutwidde. Dort brannten Dörfer. Frauen beklagten den Tod ihrer Männer, Männer den Tod ihrer Frauen, Kinder den Tod ihrer Eltern. Vieh lag hingemetzelt auf den Weiden oder irrte brüllend umher. In der Nähe des Wolkenbergs, auf dem das Haus der weisen Weiber stand, erspähten die Vögel eine Brandschatzerhorde, die Gefangene vor sich hertrieb, Frauen und Mädchen, die barfuß und wie betäubt über die Felder stolperten. Weiter nördlich sahen die Vögel Landmänner, die dem Morden entkommen waren und auf Kleppern und Eseln von Dorf zu Dorf ritten, um die Bewohner zu warnen. Andere flohen über die Usse nach Norden. Die Gefahr schien all jene, die noch am Leben waren, aus Schnapsberauschtheit und Goldwahn gerissen zu haben.
Gegen Abend stießen Zeisig und Sperling auf den Heerbann der Gografen. Diese hatten sich gegen den Lohwald als Fluchtort entschieden, weil sie wussten, dass der Feind die dortigen Schmieden und Bergwerke bald besetzen würde, und zogen niedergeschlagen und erschöpft durch die Hohe Heide, um am Dunkelpfuhl Schutz zu suchen. Dorthin hatten sich auch die Welse begeben. Sie hielten den Gografen die Treue, obwohl wenig Anlass zur Hoffnung bestand – sobald die Feste ganz in der Hand des Eisernen Königs wäre, würde er seine Streitmacht aussenden, um Pinafor bis in den letzten Winkel zu unterwerfen.
Schließlich kehrten Zeisig und Sperling durch die mondlose Nacht zum Greting zurück. Sie überflogen den Föhrenforst und die Grenzfeste Rottland. Bei Sonnenaufgang erreichten sie den geheimen Ort, wo der Wipfel der Esche zwischen den Eichen aufragte. Sie flatterten am Stamm hinab, der in den Klüften des Gretings verschwand, und ließen sich wieder auf den Schultern Maleens nieder, von der sie ausgesandt worden waren.
Das Dämmerlicht in der Grotte verwischte den Unterschied zwischen Tag und Nacht. Die Gefährten schliefen in der Marterhöhle. Nur Kunz, der kaum ein Auge zugetan hatte, saß vor der Felswand, schnitzte an einem Stock und brummte zornig vor sich hin.
Da kam Maleen mit langsamen, fast zögernden Schritten aus der Grotte auf sie zu. Zeisig und Sperling schmiegten sich in ihr honigfarbenes Haar, als sie die Gefährten der Reihe nach anschaute. Wie von ihrem Blick geweckt, schlugen alle die Augen auf. »Schlechte Nachrichten, Freunde«, sagte Maleen. »Meine Vögel berichten, dass die Feste der Gografen erobert wurde. Krieger des Eisernen Königs verheeren Flutwidde, und die Gografen fliehen mit ihrem Bann zum Dunkelpfuhl. Sie haben kein Heer ausheben können.«
»Kein Heer?«, rief Horn entgeistert.
»Dann sind wir verloren«, flüsterte Sanne, warf sich auf ihr Lager und weinte bittere Perlen.
Sneewitt erwiderte: »Kein Unrecht hat auf Dauer Bestand.«
»Ja, vielleicht«, sagte Maleen und drehte sich zur Esche um, die immer kahler wurde. »Ich kann versuchen, die grüne Kraft zu stärken oder zu stützen, mehr aber nicht.« Sie sah Hans an und flehte: »Ihr müsst etwas tun.«
»Hm …«, brummte Horn.
Kunz schwenkte seinem Zweihänder über dem Kopf und schrie: »Ich schlage ihn kurz und klein, diesen Schrottkönig! Ich schmeiße seine rostigen Überreste auf den Mist! Er soll von Käfern und Würmern gefressen werden, auf dass er sich nie mehr erhebe!«
Hans erhob sich, humpelte zu Maleen und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Wir reiten zu den Gografen«, sagte er. »Wir werden ihnen beistehen.«
Die Eichhörnchendame biss in eine Perle. Als sie merkte, dass sie nicht essbar war, streichelte sie Sannes Stirn tröstend mit einer kleinen Pfote.
»Hervorragende Idee«, sagte Sneewitt, die sich eine Strähne aus dem geschwollenen Gesicht wischte. »Alles ist besser als hier untätig herumzusitzen.«
»Und ich möchte«, sagte Hans an Dachs und Fuchs gewandt, »dass ihr beiden wieder Späher seid. Ich möchte, dass ihr den Königskessel erkundet und danach zu uns stoßt.«
»Oh!«, stieß Reineke Fuchs hervor. »Oh! Oh! Oh! Oh,
nein
!«
»Ja! Ja! Ja! Ja,
doch
!«, brummte Meister Grimbart.
»Alle anderen Tiere
Weitere Kostenlose Bücher