Der Eiserne König
hügeligen Stelle am Südufer des Dunkelpfuhls hatten die Gografen ihr Lager aufgeschlagen. Man hatte einen bogenförmigen Graben ausgehoben, dessen Innenseite mit einem Schanzwerk aus Erde und gefällten Erlen und Weiden gesichert worden war. Für die Pferde hatte man am Wasser einen Pferch errichtet. Es war der siebte Tag nach dem Fall der Feste, und die Streitmacht des Eisernen Königs wütete im Lohwald. Gegen Abend gingen die Wilderer auf Jagd, und bei Anbruch der Nacht loderte ein Lagerfeuer auf.
»Wir sind erledigt«, sagte Hilck von der Usse, der lustlos am Fleisch kaute. »Sie werden zuerst nach Süden vorstoßen, und danach werden sie uns hier oben die Hölle heiß machen.«
Die am Feuer sitzenden Männer aßen stumm und bedrückt.
Da kehrte Helmdag zurück, der mit dem alten Waller geredet hatte. »Gebt mir ein fettes Stück Fleisch«, sagte er, nachdem er sich gesetzt hatte.
»Hast du etwa Appetit?«, fragte sein Zwillingsbruder.
»Der Waller hat erzählt, dass unsere Feinde große Mühe im Lohwald haben«, erwiderte Helmdag mit vollem Mund. »Sie haben Flutwidde überrannt, aber jetzt stockt ihr Vormarsch.«
»Wir sind nur ein dreckiges Dutzend Krieger, Wilderer und Hirten«, murmelte Hilck. »Wenn die Streitmacht des Eisernen Königs nach Norden vorrückt, sind wir so gut wie tot.«
»Aber das ist noch eine Weile hin«, sagte Hans-mein-Igel, der Knappe. »Erst müssen sie den Lohwald erobern, dann müssen sie durch die Sümpfe der Hohen Heide.« Er griff nach seinem Dudelsack und begann zu spielen.
»Aufhören!«, brüllte Hilck. »Das ist ja unerträglich.«
»Lass ihn«, widersprach Helmdag. »Vielleicht muntert sein Spiel die Männer auf.«
Sie saßen schweigend da und lauschten den Weisen Pinafors, die Hilcks Bedrücktheit noch weiter steigerten. »Das hat man geschickt eingefädelt«, flüsterte er. »Zuerst all das Gold, das die Leute faul und bockig gemacht hat. Dann der Hag um die Feste und der Schlafbann. Und schließlich die Erweckung des Eisernen Königs. Irgendjemand hat hinter unserem Rücken Ränke geschmiedet. Irgendein Hundsfott hat uns betrogen. Wenn ich diese Verräter erwische, werde ich … Ich werde sie …« Er ballte ohnmächtig die Fäuste.
Die Klänge des Dudelsacks verloren sich in der Nacht. Das Feuer knackte. Vom Bratspieß tropfendes Fett zischte in der Glut. Die Männer hingen trüben Gedanken nach.
Da wurde das Schweigen gebrochen. »Wer da?«, schrie einer der Wächter.
Alle Männer eilten zum Schanzwerk. Die Wilderer spannten den Bogen, die Hirten griffen zu Knüppel oder Dolch, die Ritter zogen blank.
»Zeigt euch«, brüllte Hilck von der Usse, »oder wir spicken euch mit Pfeilen!«
»Mit dem Feuer im Rücken sind
wir
gute Zielscheiben«, flüsterte ihm sein Knappe zu.
Eine Weile tat sich nichts. Dann rief eine Greisin mit heiserer Stimme: »Spart eure Pfeile. Wir sind es.«
Im nächsten Moment trat die Muhme aus den Schatten. Sie führte ihren Maulesel am Zügel, und die anderen Gefährten folgten.
»Ah! Verstärkung«, rief Hilck. Auf seinen Befehl hin öffnete man ein Tor im Schanzwerk, und die Gefährten zogen in das Lager ein.
»Wo sind Dachs und Fuchs?«, fragte Helmdag, nachdem die Pferde in den Pferch geführt und versorgt worden waren.
»Ich habe sie zum Königskessel geschickt«, antwortete Hans, der sich am Lagerfeuer niederließ. »Vielleicht finden sie dort einen Hinweis darauf, wie wir den Eisernen König besiegen können.«
»Sieh an«, brummte Horn. »Der Igelmann aus dem Dorf an der Fusel. Hat man dich befördert?« Er riss ein Stück Fleisch aus dem am Spieß steckenden Braten.
»Er ist mein Knappe«, erwiderte Hilck von der Usse. »Er mag so hässlich sein wie die Ungeheuer der Wilden Jagd, aber er ist tapfer und treu.« Dann musterte er die immer noch nicht ganz von der Marter genesenen Gefährten und bedankte sich für alles, was sie für Pinafor getan hatten.
»Oh, schon gut«, erwiderte Kunz. »Wir haben dabei zwar so manches verloren, etwa die Angst vor Enge oder Äpfeln, aber wir haben auch viel gewonnen.«
Sneewitt grinste bis über ihre beiden bläulich geschwollenen Wangen. »Ja«, fügte sie hinzu. »Wir sind gereift und gealtert, aber noch längst nicht abgehalftert.«
»Wir werden Euch und Maleen weiter dienen«, sagte Sanne, »egal, wie die Sache steht.«
»Alles, was bisher passiert ist, waren nur Vorbereitungen zur Erweckung des Eisernen Königs«, bemerkte Helmdag. »Aber jetzt haben wir es mit seiner
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