Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
Vom Netzwerk:
auf den Welsfluss boten, und setzte sich auf den Thronstuhl. Sofort umwimmelten Asseln und Spinnen seine Füße.
    »Ohne die verräterische Amme wäre ich nie besiegt worden«, murmelte er. »Sie sei verflucht! Hier stand früher
meine
Burg – auf ihren Grundmauern hat man diese Feste errichtet.« Er betrachtete die Deckengemälde. Dann sagte er: »Jeder rühmt sich seiner Taten. Jeder hält seine Taten für gut und gerecht, egal wie grausam sie waren. Und was lässt unsere Taten gut und gerecht erscheinen? Heh?« Er sah Grimm an. »Du da – du mit dem Gesicht, das aussieht, als hättest du es in einen Ofen gesteckt. Antworte.«
    Die ganze Gefolgschaft lachte. Grimm bebte vor Wut: Der Letzte, der dies zu ihm gesagt hatte, war danach einen Kopf kürzer gewesen. Aber er rang sich ein Lächeln ab und fragte: »Die Überzeugung, das Rechte zu tun?«
    »Nein. Der
Sieg
!«, brüllte der König. Dann sank er gegen die Rückenlehne und flüsterte: »Der Sieger bestimmt, was gut und böse, richtig und falsch ist. Er beherrscht die Erinnerung bis in alle Ewigkeit.« Er nahm den Helm ab und musterte seine Gefolgsleute. »Deshalb müssen wir siegen. Versteht ihr das, ihr Hohlköpfe?«
    »Ja! Herr!«, schrien Blaubart und die anderen und reckten die geballte Faust.
    Der Eiserne König übergab Helm, Schild und Schwert an die Wesen der Wilden Jagd, die sein Gefolge bildeten. Er winkte Blaubart zu sich und flüsterte: »Ein Siebtel des Heeres bleibt hier in der Feste. Mit den anderen Truppen unterwirfst du Pinafor, vom Lohwald bis zur Hohen Heide, vom Himmelstor bis zur Quelle der Usse. Wer sich dir entgegenstellt, soll sterben, ob Mann, Frau oder Kind, ob Mensch oder Tier. Spüre die Gografen auf und töte sie. Bereite alles zum Abmarsch vor.«
    Blaubart verneigte sich und verließ mit den anderen Männern den Saal. Grimm drehte sich in der Tür noch einmal um und warf dem König einen finsteren Blick zu.
    »Wenn ich nicht so unendlich müde wäre«, sagte der Eiserne König zu den Wesen der Wilden Jagd, »würde ich das Heer selbst anführen. Nichts macht mich glücklicher, als die Welt brennen zu sehen.« Er ließ den Blick über die blanken Dielen des Rittersaals und bis zu den Fenstern gleiten. Draußen zog die Dämmerung auf. Schließlich befahl er gedankenschwer: »Bringt mir einen Krug Milch. Und holt ein paar Weiber. Sie sollen mir Süßspeisen zubereiten. Köstliche Süßspeisen. Und wenn ihr Ammen findet«, fügte er hinzu, »erschlagt sie. Sie nähren Schlangen an ihrem Busen.«
    Er strich über seinen gekappten Bart, während im Kamin ein Feuer entzündet wurde. Asseln krabbelten über seine Füße, und Spinnen woben ihn mit Netzen ein, die wie Gazeschleier auf seinem Schuppenpanzer glänzten.
     
    Die Streitmacht des Eisernen Königs rückte unter Blaubarts Führung in aller Frühe aus. Der gedemütigte Grimm musste sich mit dem Befehl über Nachhut und Verpflegungstross begnügen. Während die Feste im Zwielicht zwischen Nacht und Tag zurückblieb, Ochsenkarren und Pferdegespanne nach Osten in das Morgengrauen rollten, Peitschen knallten, Kutscher fluchten und der Marschtritt der Kolonnen dumpf über die Fluren Flutwiddes hallte, fragte sich Grimm, wo Barbera sein mochte. Denn er war
ihr
Geschöpf, nicht das des Eisernen Königs; nicht diesem galt seine Treue, sondern
ihr
. Außerdem fühlte er sich seinem Herrn ebenbürtig, weil auch er wiedererweckt worden war – und nicht nur das, denn durch Barberas Macht war er eine vollkommen neue Person geworden. Und er war ihr Galan! So hatte sie ihn wiederholt genannt. Sein Gefühle für sie glichen Irrlichtern in einem Sumpf der Verdorbenheit.
    Die Vorauskommandos hatten ganze Arbeit geleistet. Dörfer waren dem Erdboden gleichgemacht worden, zwischen den schwelenden Katen und Höfen lagen Tote. Das Einzige, was sich regte und bewegte, waren Aasfresser. In Flutwidde stieß die Streitmacht des Eisernen Königs auf keinen Widerstand. Am dritten Tag des Vormarsches vereinigte sie sich am Ufer der Mölme mit den Vorauskommandos, die alles überlebende Vieh in einer Flussbiegung zusammengetrieben hatten. Die gefangenen Mädchen und Frauen hatte man gleich daneben eingepfercht. Sie kauerten sich ängstlich zusammen.
    An diesem Abend schlachtete man Hunderte von Rindern und Schafen und feierte ein ausschweifendes Gelage.
    Am Nachmittag des nächsten Tages erreichte die Streitmacht die ersten Ausläufer des Lohwalds. Dieses tannenwaldreiche Mittelgebirge mit seinen

Weitere Kostenlose Bücher