Der Eiserne König
Muhme gefunden hatte. »Ehrloser geht es nicht!« Er entriss ihr das Pergament und klatschte mit der flachen Hand darauf.
»Ja, ich weiß«, erwiderte die Muhme. »Das habt Ihr vorhin schon gesagt.«
Hilck starrte sie an, als wollte er Hackfleisch aus ihr machen. »Das ist mein Siegel«, stieß er hervor. »
Mein
Siegel!«
»Natürlich«, sagte die Muhme. »Von Eurer Hand in den Lack gedrückt.«
»Ihr … Ihr … Ihr …«, schnaubte Hilck von der Usse mit bebenden Nasenflügeln und ballte die Faust.
Da kam ein Trupp Männer vorbei, die Riedbündel auf den Schultern trugen. »Ein Hoch auf die Gografen!«, rief einer. »Sie wissen, was zu tun ist! Wir führen den Eisernen König an der Nase herum!«
»Hoch! Hoch!«, riefen alle Männer im Chor. Dann verneigten sie sich vor Hilck von der Usse und gingen weiter.
Der Gograf sah ihnen sprachlos nach.
»Euer Plan gefällt ihnen«, sagte die Muhme und zog an ihrer Pfeife. »Sie haben Hoffnung geschöpft und arbeiten fleißig an der Umsetzung.«
Als sie Rauch ausblies, wich Hilck von der Usse zurück. »So ist das also«, knurrte er. »
Mein
Plan … Hm.«
»Wollt ihr Eure einmal besiegelte Zustimmung widerrufen, Gograf?«, fragte die Muhme. »So ehrlos könnt Ihr nicht sein. Bedenkt, dass Ihr einen Ruf zu verlieren habt. Und überdies die Treue Eurer Männer.«
Da kam Helmdag angestampft, auch er außer sich vor Zorn. Sein Zwillingsbruder ging auf ihn zu, legte ihm einen Arm um die Schultern und redete flüsternd auf ihn ein. Schließlich kehrten die beiden zur Muhme zurück. Helmdag wirkte wie die Verkörperung rechtschaffener Erbostheit, aber Hilck von der Usse sagte: »Egal, welchen Zauber Ihr benutzt habt – wir haben Tatsachen geschaffen, hinter die wir nicht mehr zurückkönnen. Und wenn die Männer Mut fassen …«
»Wir lassen uns auf Euren Plan ein«, fügte Helmdag hinzu. »Aber falls er schiefgeht …« Er zog einen Finger über seine Helmbarge.
»Verstehe«, erwiderte die Muhme und rollte das Pergament auf. »Wenn der Plan fehlschlägt, schneidet Ihr Euch selbst die Kehle durch.«
Helmdag schnappte nach Luft.
»Das nennt man Matriarchat«, murmelte Meister Grimbart, der die Szene beobachtet hatte.
»Mat – was?«, fragte der Fuchs.
»Die Herrschaft der Frauen«, erklärte der Dachs.
»Ich nenne das Tyrannei«, schimpfte der Fuchs. »Denn dieses Hutzelweib schickt uns schon wieder los!«
»Möchtest du lieber nach Rottland?«
Reineke Fuchs legte den Kopf verdrossen auf die Vorderläufe und blieb stumm.
Die Wilde Jagd überflog das Feldlager auch am folgenden Tag.
»Sie kundschaften uns aus«, sagte Hilck von der Usse, der die Augen mit einer Hand beschattete. »Wo mag ihre Streitmacht stehen?«
»Unsere Postenkette verteilt sich in Eilmärschen entlang der Fusel bis zur Usse«, erwiderte Hans, der mit dem Gograf auf dem Wachturm stand. »Wenn der Feind anrückt, werden wir das rasch erfahren.«
Im Feldlager herrschte rege Betriebsamkeit. Korbflechter aus Flutwidde arbeiteten Hand in Hand mit Repschlägern und mit Heidjern, die Erfahrung mit Rieddächern hatten. Ein Bogner aus dem Lohwald leitete den Bau von Langbögen, für die alle verfügbaren Eiben gefällt wurden, und Pfeilschnitzer stellten aus Birkenholz einen Pfeil nach dem anderen her.
»Elende Plackerei«, motzte Horn, der auf dem Donnerbalken der Latrine hockte. »Du hast Glück, dass du Dachs und Fuchs zusammen mit Sneewitt begleiten darfst.«
»
Darfst
?«, fragte der neben ihm sitzende Kunz. »Ich würde lieber bei euch bleiben. Aber irgendjemand muss den weisen Weibern wohl auf den Zahn fühlen.«
Horn furzte so laut, dass mehrere im Schilf versteckte Enten schnatternd die Flucht ergriffen. »Lass dir Abwehrzauber und Talismane von der Muhme mitgeben«, riet er Kunz. »Wenn die Weiber tatsächlich Verräterinnen sind, kann es gefährlich werden.«
»Vielleicht solltest du den Auftrag übernehmen. Ein Furz wie dieser, und sie sind erledigt.«
Horn lachte.
»Ich habe immerhin den Knüppel«, sagte Kunz. »Er wird zum Gedenken an Hardt einen schönen Tanz aufführen, falls sie uns verraten haben.«
Gegen Abend stand er mit Sneewitt, Reineke Fuchs und Meister Grimbart abmarschbereit am Tor. Die auf ihren Stock gestützte Muhme nahm mit Hans und den Gografen Abschied von den Gefährten. »Hier ist der Bart. Er stammt von einem Köhler«, sagte sie. »Der echte bleibt hier. Seid wachsam und prägt euch ein, was die weisen Weiber damit vorhaben.«
Kunz nahm
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