Der Eiserne König
übrigen weisen Weiber standen. »Ratten!«, kreischte sie und schlug mit einer fünf Ellen langen Lederpeitsche nach den Mädchen, die so viel Angst vor ihr hatten, dass sie sich nicht einmal zu ducken wagten. Das fiebrig wirkende Mädchen saß mit offenem Mund da, während Blut aus einem Striemen auf ihrer Wange sickerte.
»Sucht ihr eure Kumpane?«, fragte Barbera. »Den verlausten Balg und die stinkende Schwarte? Hier sind sie.« Auf ihr Fingerschnippen hin stießen die Kultknechte Reineke Fuchs und Meister Grimbart in das Gewölbe. Der Dachs hatte eine Wunde an der linken Flanke, und der Fuchs hinkte.
»Tut mir leid«, winselte er. »Sie haben uns überrumpelt.«
»Dieses Mal entkommt ihr mir nicht«, sagte Barbera. »Die Karontiden werden sich an euren Kadavern mästen.«
»So etwas Leckeres bekommen sie sicher selten«, erwiderte Sneewitt, den Bogen auf Barberas Herz gerichtet.
Barbera klopfte auf ihre Brust. Der Klang verriet, dass sie einen Harnisch unter dem Gewand trug. »Schieß nur«, spottete sie.
Sneewitt zielte auf ihren Kopf.
Sofort traten Kultknechte vor ihre Herrin. »Habt ihr geglaubt, dass wir euch nicht beobachten?«, fragte Barbera. »Oder dass zwei bewusstlose Männer unbemerkt bleiben?«
»Immerhin leben sie noch«, sagte Kunz.
»Ihr habt uns einen falschen Bart untergejubelt!«, schrie ein weises Weib. »Aber wir lassen uns nicht täuschen. Wo ist der echte Bart? Er muss auf der heiligen Schale verbrannt werden. Ihr habt uns betrogen!«
»Wer betrügt hier wen?«, fragte Sneewitt.
Barbera legte den vor ihr stehenden Kultknechten die Arme um die Taille und zog sie an sich. »Der Eiserne König wird siegen!«, rief sie. »Und danach werden wir zu seiner Linken und zu seiner Rechten sitzen und die Herrschaft über Pinafor mit ihm teilen.«
»Pah! Er hat euch mit dem Schandmal brandmarken lassen«, keckerte Reineke Fuchs, der sich hinter Kunz duckte.
Die Mädchen saßen immer noch kerzengerade da, als Barbera drohend die Peitsche hob. »Ja!«, schrie sie. »Das hat er.« Sie hob den Schleier – auf ihrer Stirn prangte das Mal, auf der Wange waren die Narben zu sehen, die Eisenhans’ Hieb mit der neunschwänzigen Katze hinterlassen hatte. »Oh, ja, ich bin entstellt«, flüsterte sie. »Aber ich bin glücklich. Denn der Sieg ist nah. Das ist jeden Preis wert.«
»Auch den Preis der Hässlichkeit?«, fragte Sneewitt.
Ehe sie sich versah, schwang Barbera die lange Peitsche und entriss ihr den Bogen, der vor der Wand zu Boden klapperte. »Hüte deine Zunge«, rief Barbera zornig. »Wir töten euch entweder gleich oder mauern euch gemeinsam mit diesen erbärmlichen Mägden im Gewölbe ein.«
Die Mädchen brachen in Tränen aus.
»Der Bart!«, schrien mehrere weise Weiber. »Wir brauchen den Bart des Eisernen Königs!«
»Fesselt die beiden«, befahl Barbera. »Quetscht sie aus, bis kein Tropfen Blut mehr durch ihre Adern fließt. Sie werden uns schon noch sagen, wo der Bart versteckt ist.«
Kunz zog den Sack mit Hardts Knüppel vor seinen Bauch. »Auf zum letzten Gefecht«, sagte er und hob das Schwert.
»Ich sterbe lieber, als dieser Verrückten wieder in die Hände zu fallen«, erwiderte Sneewitt, die ihre feuerroten Haare nach hinten band. Ihre Haut wirkte noch weißer als sonst, und ihre kohlrabenschwarzen Augen blitzten, als sie den Dolch zog.
Im Tiegel blubberte flüssiges Gold, Feuer und Fackeln tauchten das Gewölbe in ein warmes Licht. Barbera trat lachend zurück. Kultknechte drängten herein. Sie trugen Helm und Harnisch und hielten jeweils eine zweite Waffe: Streitaxt, Morgenstern oder Spieß.
»Mach mir bloß keine Schande«, murmelte Sneewitt.
»Ja, ich liebe dich auch«, brummte Kunz.
»Wir brauchen sie lebend!«, schrie das älteste weise Weib mit versagender Stimme. »Wir müssen wissen, wo der Bart ist.«
»Der Bart ist ab, Otterngezücht!«, brüllte Kunz und griff mit wuchtigen Hieben an. Die Klinge seines Zweihänders war so lang, dass die Kultknechte nicht an ihn herankamen. Vor den Augen der entsetzten Mädchen erschlug er zwei Gegner. Dann rammte ihm einer den Spieß in den Oberschenkel. Er sprang mit einem Aufschrei zurück an die Wand, wo er Seite an Seite mit Sneewitt weiterfocht.
Die Tiere beobachteten den ungleichen Kampf aus sicherer Entfernung. »Sie sind verloren«, klagte der Fuchs.
»Ich fürchte auch«, sagte der Dachs, der seine Wunde geleckt hatte. »Wir sitzen endgültig in der Falle. Zicke und Zecke!«
Da erschallte im großen
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