Der Eiserne König
unsere Zauberkräfte machtlos. Lasst uns frei!«
»Herzlich gern«, sagte der Fuchs. »Wir stapeln einfach Holz zwischen euch auf und entfachen es. Dann schmilzt das Gold, und ihr könnt weiter nach Belieben Unheil anrichten.«
Der Hexe entrang sich ein Röcheln. Einen Herzschlag später verwandelte sie sich wieder in das älteste weise Weib.
»Wolltet ihr die Frauen nicht einmauern lassen, um sie eines elenden Todes sterben zu lassen?«, fragte Sneewitt. »Genau das steht euch jetzt bevor.«
»Bitte nicht«, flehte ein anderes Weib. »Wir sind doch auch nur Opfer von Bosheit und Niedertracht.«
»Oho«, keckerte Reineke Fuchs. »Es ist immer das Gleiche: Wenn jemand anderen böswillig schadet, will er später selbst das arme, unschuldige Opfer sein. Dass ich nicht lache.« Er sah zu den Frauen und Mädchen, die eifrig Mörtel aus den Fugen kratzten, um die Mauersteine zu lockern und so den Ausgang freizulegen. Kunz schlief noch, gut behütet von seiner Tochter.
»Meine Füße kennen das Feuer«, stieß das älteste weise Weib hervor, »denn man hat mich einst gezwungen, in glühenden Schuhen zu tanzen, angetan mit meinem besten Schmuck und meinen schönsten Kleidern. Seither humpele ich.« Sie erbebte bei der Erinnerung. Dann kreischte sie: »Fluch über euch! Ich habe immer nur das Rechte getan.«
»Für mich sieht es eher aus wie das Linke«, sagte der Fuchs. »Aber das ist wohl eine Frage des Blickwinkels.«
»Bitte verschont uns«, greinte eines der weisen Weiber. »Wir sind ungeliebte, überall verhasste Stiefmütter. Was blieb uns da anderes übrig, als den Eisernen König zu wecken? Wir haben ja sonst niemanden. Barbera hat uns dazu überredet.«
»Dass ich nicht weine!«, rief der Fuchs. »Ihr gebt nach außen die weisen Weiber, seid heimlich Hexen und außerdem böse Stiefmütter und wollt die Verantwortung jetzt auch noch von euch abwälzen?«
»Wir sind nicht böse«, heulte ein anderes Weib.
Sneewitt betrachtete die zwischen Selbstmitleid und Wut hin- und hergerissenen Weiber. »Euch ist nicht mehr zu helfen«, entschied sie. »Ihr seid bis ins Mark verdorben und verlogen – vor allem belügt ihr euch selbst.«
Unter den Weibern erhoben sich Heulen und Zähneklappern. Bis auf die Älteste, deren Gesicht zu einer Maske des Zorns erstarrt war, flehten alle händeringend um Gnade, trommelten auf ihren Busen und rissen erneut an ihren Gewändern, bis sie halbnackt dastanden.
»Uuh«, brummte der Fuchs und wandte sich angewidert ab.
Da polterte der erste Stein aus der Wand. Sneewitt eilte hin und half bei der Vergrößerung des Lochs. Bald tat sich ein Tunnel auf, aus dem Morgenluft in das Gewölbe wehte. Als die ersten Mädchen jubelnd durch das Loch schlüpften, erwachte Kunz.
»Ich hatte wieder diesen Albtraum«, murmelte er. »Ein wildes Tier wollte mich zerreißen … Aber dieses Mal konnte ich es töten – mit meinen bloßen Händen.« Er sah zu dem Mädchen auf. »Bist du wirklich meine Tochter? Bist du der Königin ihr Kind?«, flüsterte er.
»Ja, das bin ich.« Sie strich über seine braunen Locken und fügte hinzu: »Und du bist …
Rumpenstünz
.«
Kunz erstarrte. Aber der Drang, sich entzweizureißen, war verflogen. Er sank erleichtert zurück.
»Kommt endlich«, rief Sneewitt, während sich Frauen und Mädchen durch das Loch zwängten. »Wir müssen den Tunnel noch von innen verschließen.«
»Nehmt uns mit«, schrien die weisen Weiber wie aus einer Kehle. »Bitte, bitte nehmt uns mit.« Sie versuchten wieder, die Füße aus dem erkalteten Gold zu lösen, saßen aber so fest wie in einem Schraubstock und mussten hilflos zusehen, wie Kunz und Sneewitt den großen Tiegel mit Stricken zur Wand schleiften.
»Sterbt wohl!«, rief der Fuchs den Weibern zum Abschied zu.
Dann zogen die zwei Gefährten den Tiegel mit Unterstützung einiger Frauen und unter Aufbietung aller Kräfte in das Loch. Er passte hinein wie ein Korken in den Flaschenhals und saß genauso fest. Sie häuften mit Schöpflöffeln Erde und Geröll davor auf, bis das Jammern der weisen Weiber nicht mehr zu hören war.
»Fertig«, sagte Kunz alias Rumpenstünz und wischte seine Hände an der Hose ab. »Nicht einmal der Eiserne König hatte eine schönere Gruft.« Auf Sneewitt gestützt, humpelte er durch den Tunnel, der am Ostrand des Hügels mündete. Dort saßen Frauen und Mädchen im Gras und bestaunten den Himmel, den sie so lange nicht gesehen hatten.
»Ein richtiges Hexenhaus«, brummte Meister
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