Der Eiserne König
Weiber in all diesen Truhen und Schränken aufbewahren?«, fragte er.
»Weiß der Henker«, erwiderte Sneewitt, die schon am Ende des Ganges stand und den Schlüssel in das winzige Schloss schob. Die Tür knirschte und knackte, als wären mehrere Riegel im Holz verborgen, dann schwang sie auf. Sausen und Dröhnen wurden lauter, Staub wirbelte durch die Luft, und vor den Gefährten tat sich ein weites Kreuzrippengewölbe auf, in dem Frauen und Mädchen, wohl Hundert an der Zahl, im Fackelschein an Spinnrädern saßen. Ein halbes Dutzend Kultknechte, alle mit Peitschen bewehrt, patrouillierte durch die Reihen.
»Wie sieht unser Plan aus?«, fragte Meister Grimbart, der bei dem Lärm der Spinnräder die Stimme heben musste.
Sneewitt zuckte mit den Schultern. »Wir haben keinen Plan«, sagte sie.
»
Keinen
Plan?«, winselte der Fuchs, dessen Mut wieder sank.
»Wir gehen hinein, mischen die Kultknechte auf, befreien die Frauen und geben den verräterischen Weibern zum Abschied einen Tritt in den Allerwertesten«, sagte Kunz.
»Vorher knöpfe ich mir noch Barbera vor«, zischte Sneewitt.
Da fiel die Tür langsam zu. Die Gefährten huschten hindurch. Sie gelangten auf einen erhöhten Laufgang, der das Gewölbe umschloss, und verbargen sich hinter einem Pfeiler.
»Die Frauen sind angekettet«, flüsterte Kunz. »Weiter hinten kann ich ein Glühen erkennen. Vielleicht eine Schmiede.«
»Feuer, Staub und Stroh«, brummte der Dachs. »Eine brisante Mischung.«
»Seht ihr die niedliche Kleine dort?«, fragte der Fuchs. »Die mit den braunen Locken und den veilchenblauen Augen? Sie könnte deine Tochter sein, Kunz.«
Kunz betrachtete das Mädchen. Wegen des Tuches vor ihrem Gesicht war sie nicht genau zu erkennen. »Meine Tochter ist tot«, knurrte er. »Im Wald ausgesetzt. Von Wölfen gefressen. Hört auf, mich mit eurem Gerede zu quälen.«
»Verzeihung«, sagte der Fuchs kleinlaut. »Vielleicht ist sie ja deine Nichte. Oder deine Enkelin. Oder …«
»Sei endlich still!«, fuhr Sneewitt ihn an.
Der Staub trübte die Sicht, die Spinnräder surrten. Ab und zu erhob sich ein Stöhnen in den Reihen der erschöpften Frauen. Sie wurden von den Kultknechten mit Peitschenhieben zum Schweigen gebracht. Andere Frauen schleppten Körbe mit zu Gold gesponnenem Stroh in das angrenzende Gewölbe.
»Das ist keine Schmiede, sondern eine Münze«, flüsterte der Dachs. »Dort wird das Gold geprägt, das die Menschen in Pinafor verdorben hat. Diese Weiber haben alles von langer Hand geplant.«
»Erst wenn der letzte Baum verdorrt und der letzte Fluss versiegt ist, werden sie merken, dass man Gold nicht fressen kann«, grollte der Fuchs.
Da kam Unruhe auf, denn mehrere Spinnräder standen still. Kultknechte rannten hin und drohten mit der Peitsche. Aber es lag nicht am Unwillen der Frauen, sondern daran, dass es kein Stroh mehr gab. Weitere Spinnräder liefen surrend aus. Frauen lehnten sich zurück, schlugen die Hände vor das Gesicht, sanken in sich zusammen. Die Kultknechte eilten hektisch hin und her und verteilten Schläge und Hiebe, als wollten sie die Frauen zwingen, Gold aus Luft oder Staub zu spinnen. Sie hatten zwar gewusst, dass das Stroh zur Neige ging, weil das Getreide nicht geerntet worden war, aber das plötzliche Ende überraschte sie.
»Wozu noch mehr Gold?«, fragte der Fuchs. »Sie haben ihr Ziel doch erreicht.«
»Eine Streitmacht muss bezahlt werden«, antwortete Meister Grimbart. »Auch Karontiden kämpfen nicht umsonst.«
Mit jedem Spinnrad, das ausfiel, lichtete sich der Staub etwas mehr. Das Surren schwoll ab. Die Kultknechte hörten auf, die Frauen zu malträtieren, und verteilten sich im Gewölbe. Einer betrat den Laufgang und eilte zur Tür.
»Er wird hier vorbeikommen«, sagte Kunz. »Duckt euch.«
Doch ganz gleich, auf welche Seite des Pfeilers die Gefährten auswichen, man musste sie entdecken.
»Zicke und Zecke!«, knurrte der Dachs. »Verflucht, verflixt, verdammt!«
»Ich übernehme das«, sagte Reineke Fuchs. »Frechheit siegt.« Er lief schnurstracks auf den Kultknecht zu, der zur Tür eilte, und rief, als wollte er seinen kürzlichen Erfolg wiederholen: »Wo geht es zum hiesigen Hühnerhof, bitte schön?« Aber der Mann ließ sich nicht narren und holte zu einem Peitschenhieb aus, dessen Knall die übrigen Knechte aufmerken ließ.
Der Fuchs fiepte erschrocken und brachte sich mit einem Satz in Sicherheit.
»Alarm!«, brüllte der Kultknecht. »Eindringlinge!«
Seine Kameraden
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