Der Eiserne König
hinunter.
Während der Rappe im Auwald graste, entfachte Grimm ein Feuer. Der Qualm des feuchten Holzes verlor sich zwischen Erlen und Weiden im Nebel. Im Uferschilf lärmten Vögel, ein Buntspecht hämmerte im Wald. Grimm stieß das Schwert in die Erde und nahm den Helm ab. Seine Gedanken kreisten nur um eines: Rache. Schließlich stand er auf, pflückte einen Grashalm, klemmte ihn zwischen die Finger und blies eine Tonfolge, die er zwei Mal wiederholte. Dann setzte er sich.
Das Feuer knackte und qualmte. Plötzlich verstummten die Wasservögel, der Specht stellte sein Klopfen ein. Grimm blieb sitzen, eine Hand auf der Parierstange des Schwertes, die andere im Schoß.
Da wurde eine Speerspitze gegen seinen Hals gedrückt.
»Ich bin es«, sagte er, ohne sich zu rühren.
»
Ich
?«, fragte eine tiefe Männerstimme. »Wer ist
ich
?«
»Ich bin jetzt ein anderer«, antwortete Grimm und drehte sich um. »Aber ich heiße noch Grimm.« Er betastete den von der Speerspitze hinterlassenen Schnitt.
Hinter ihm stand ein bis an die Zähne bewaffneter Räuber, der ein Bärenfell und einen breiten Hut mit Hahnenfeder trug. Seine Spießgesellen lauerten im Unterholz.
»Grimm ist tot«, erwiderte der Räuber, der beim Anblick des Narbengesichts und der Rubinaugen zurückwich, ohne jedoch den Speer zu senken. »Verbrannt, ertrunken, verschollen.«
»Und woher kenne ich die geheime Tonfolge?«
Die restlichen Räuber traten aus dem Unterholz. Es waren gut zwei Dutzend, auch sie schwerbewaffnet und eingemummt.
»Ja!«, rief einer. »Woher kennt er das Signal?«
»Wollt ihr Beute machen?«, fragte Grimm.
»Die Streitmacht des Eisernen Königs beherrscht das Land«, erwiderte der Räuber mit dem Speer, bei dem es sich um den Anführer zu handeln schien. »An Raubzüge oder Überfälle ist nicht zu denken.«
»Wir kommen nicht mehr zum Zug, weil der König alles plündern lässt«, rief ein anderer. »Man hat auch uns beraubt und fünf von uns erschlagen.«
»Auf der Hohen Heide sollen sich sogar mehrere Banden den Gografen angeschlossen haben«, sagte ein dritter Räuber.
Grimm spuckte in das Feuer. »Ich kenne einen Ort, an dem es Gold in Hülle und Fülle gibt«, sagte er. »Aber wir müssten sofort handeln.«
Der Specht begann wieder zu klopfen.
»Wie kann ich dir vertrauen?«, fragte der Räuberhauptmann, der endlich den Speer senkte.
»Wie oft haben wir zusammen gebechert? Du weißt, dass du mir vertrauen kannst …
Barnabas
.«
Barnabas, wegen seiner riesigen Nase nur ›Zinken‹ genannt, murmelte verblüfft: »Er kennt meinen wahren Namen …«
Grimm stand auf. »Ich bin Grimm«, sagte er. »Folgt mir, und ihr werdet reiche Beute machen.«
Die Wasservögel begannen wieder zu lärmen.
»Ja«, stieß ein älterer Räuber hervor. »Ja – das ist Grimm! Ich erkenne seine Stimme.«
»Das Feuer hat mich entstellt«, sagte Grimm. »Aber ich habe überlebt. Und jetzt will ich Blut und Gold.«
»Blut und Gold! Das Glück sei uns hold!«, röhrten die Räuber wie aus einem Mund, während Grimm das Schwert in die Scheide schob und den Helm aufsetzte.
Barnabas, auch Zinken genannt, ließ den Blick über seine Spießgesellen gleiten. »Gut, wir folgen dir«, sagte er. »Führ uns zum Gold. Aber wehe dir …« – er hob wieder den Speer – »… wenn du uns belügst oder betrügst.«
Grimm sah ihn abschätzig an. Dann trat er das Feuer aus und schwang sich auf den Rappen. Wenig später preschten sie über schlammige, von verfaultem Getreide bedeckte Äcker nach Südosten. Am Himmel ballten sich Wolken und drohten mit Regen.
Am frühen Nachmittag, sie näherten sich dem Herzland von Flutwidde, fragte Zinken: »Wo sind die Schergen des Königs geblieben? Die Karontiden und die Kultknechte? Die Wilde Jagd? Die berittenen Patrouillen?«
»Heute bricht die Streitmacht auf, um den Gografen endgültig den Garaus zu machen«, antwortete Grimm.
»Woher willst du das wissen?«, fragte Zinken skeptisch und trieb seine Mähre zu einem noch schärferen Galopp an.
»Ich war bei ihm.«
»Beim … beim Eisernen König?«, stieß Zinken hervor. »Hast du ihm gedient?«
»Das ist vorbei«, knurrte Grimm. »Er hat mich gedemütigt, und das wird er bereuen.«
»Oh …«, sagte Zinken. »Und … wohin reiten wir?«
Grimm zeigte zum Horizont, wo der Hügel mit dem Haus der weisen Weiber aufragte. »Dorthin!«, rief er. »Die Weiber sind mit dem Eisernen König im Bunde.«
»Sie sind mächtig!«, schrie ein hinter
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