Der Eiserne König
Vogelscheuchen?«, fragte Zinken und ließ die Goldsäcke zu Boden sacken.
»Die weisen Weiber«, antwortete Grimm. »Wie ihr seht, sind sie in Gold gefangen.«
Ein Räuber betastete die Goldschicht. »Wahrhaftig!«, rief er. »Jungs, wir sind stinkreich.«
»Richtig«, sagte Grimm. »Aber zuerst müssen wir den Damen einen kleinen Gefallen erweisen, denn ich habe versprochen, ihnen zu helfen. Seid ihr Kavaliere?«
»Kala …
was
?«, fragte ein Räuber verständnislos.
»Klar sind wir Kavalleristen«, sagte ein anderer.
»Klaviere? Natürlich«, rief ein dritter. »Was ist zu tun?«
Grimms Augen glühten auf. »Erlöst die Armen von ihren Qualen«, sagte er. »Seht sie an: Ihre Füße sind verbrannt, ihr Körper ist geschwächt, ihr Geist getrübt. Sie haben sehr lange gelebt – und jedes Leben hat einmal ein Ende.«
»Sehr wahr«, rief ein Räuber.
»Gut gesprochen«, rief ein anderer.
»Ja, befreien wir ihre Seele aus dem Kerker des Leibes«, rief Zinken. »Außerdem finde ich es höchst unappetitlich, dass sie mit ihren Käsemauken mitten im Gold stehen.«
»Geradezu ekelhaft«, fügte ein Räuber hinzu und ließ den Daumen über die Axtklinge gleiten.
»Wirklich widerlich«, ergänzte ein weiterer und zog blank.
»Gut. Ich überlasse die Damen eurer Fürsorge«, sagte Grimm, »und suche währenddessen den Ausgang.« Er wandte sich ab und ging zur Rückwand. Hinter ihm ertönten dumpfe Schreie, Gurgeln, Plumpsen. Kurz darauf, er zerrte am Tiegel, wurde gehämmert, gekratzt und geschabt. Als sich der Tiegel löste, polterten Geröll und Erde in die Münze. »Hier ist ein Gang«, rief Grimm und fegte Dreck vom Harnisch. Dann wandte er sich um; beim Anblick der gemeuchelten Weiber brummte er zufrieden, aber das war noch längst nicht seine ganze Rache. »Verschwinden wir«, sagte er zu den Räubern, die das letzte Gold zusammenkratzten.
»Willst du nichts von der Beute?«, fragte Zinken, der mehrere Säcke geschultert hatte.
»Meine Belohnung ist die Genugtuung«, antwortete Grimm und kroch durch das Loch in den Gang.
Draußen goss es immer noch in Strömen. Das Haus auf dem Hügel brannte lichterloh, schwarzer Qualm wölkte in den schwarzen Himmel. Sogar der Regen konnte das Feuer nicht löschen. Die Pferde standen ganz in der Nähe, die Kruppe in den Wind gedreht.
Grimm schwang sich auf den Rappen, der sich wiehernd aufbäumte. »Vielen Dank für eure Hilfe, Freunde!«, rief er. »Genießt das Gold und verbergt euch, bis die letzte Schlacht geschlagen ist!«
»Ein Satansbraten«, murmelte Zinken. »Wir werden bestimmt noch von ihm hören.« Dann lud er die Säcke auf seine Mähre.
Der Regen rauschte, der Tag war dunkel wie die Nacht. Nur das Haus der weisen Weiber spendete Licht; es glühte wie ein gefallener Stern. Grimm gab seinem Ross die Sporen und ritt nach Norden. Die Hufe trommelten einen steten Takt.
31. Kleinvieh macht auch Mist
Wolken ballten sich über Pinafor. Das Wasser der Bäche in Greting und Lohwald schoss zu Tal. Usse, Fusel, Beeke und Mölme traten über die Ufer. Der Dunkelpfuhl brodelte, und der Welsfluss schwoll an. Seine Strömung wurde stärker, er schäumte durch das Himmelstor, die Welse lagen auf dem tiefen Grund. Der Regen trommelte auf das Land, als wollte er Steine erweichen.
Das Heer der Gografen war aus Rottland aufgebrochen. Horn hatte sich zu Sannes Leidwesen nicht mehr gezeigt. »Das ist Egoismus zu zweit«, hatte Reineke Fuchs nach einem letzten Blick auf den Bergfried gesagt, aus dessen monsterfratzigen Wasserspeiern wahre Fluten auf den Festungshof sprudelten. Als sich die Ausläufer des Gretings noch einmal aufbäumten, bevor sie in den Weiten der Hohen Heide verebbten, sandte Hilck von der Usse die von Helmdag geführte Reiterei mit dem Befehl aus, die feindliche Streitmacht durch Angriffe aus dem Hinterhalt zu reizen. Der Sandboden schwamm, in den Senken sammelte sich Wasser, Birken und Wacholder schwankten wie Gespenster im prasselnden Regen, aber das Heer, gelotst von ehemaligen Räubern, die die Heide wie ihre Westentasche kannten, marschierte unverdrossen weiter, um ein geeignetes Schlachtfeld zu finden.
Der Vormarsch der Streitmacht des Eisernen Königs stockte auf matschigen Wegen. Karontiden griffen in die Räder der Katapulte und Belagerungsmaschinen, Kultknechte schoben Wagen und Karren und trieben die Pferde an. Die Sänfte, in der man den von Barbera gepflegten Blaubart transportierte, bot schon bald keinen Schutz mehr vor der Nässe,
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