Der Eiserne König
Streitmacht auf den Abmarschbefehl wartete. Die Krieger harrten im Regen aus, triefnass und geduckt, mit Decken oder Laken über dem Kopf, die längst keinen Schutz mehr boten. Niemand sah den aus Südosten kommenden Reiter.
Grimms Herz schlug höher, als er die nach Norden ziehende Streitmacht erblickte, die den ganzen Horizont einzunehmen schien. Die Wilde Jagd, vom Flug durch den Regen ermüdet, saß auf den Bäumen am Heerweg; nur wenige Wesen waren in der Luft. Schläge wummerten in den Morgen, verhallten in den Fluten, die sich unaufhörlich vom Himmel ergossen. Grimm löste den Schild vom Sattel, schob den linken Arm durch die Schlaufe und packte den Griff. Er zog das Schwert, beugte sich vor und flüsterte seinem Rappen ins Ohr: »Wir brechen durch, Schwarzer. Das wird ein Spaß!« Ein sanfter Stoß in die Flanken, und der Rappe schoss los. Grimm bückte sich über den Widerrist, den Schild vor der Brust, das Schwert lang zur Seite gestreckt. Hufe hämmerten auf den Boden, Sattelzeug knarrte. Grimm, der sein Ross mit den Oberschenkeln lenkte, hielt auf den Tross mit dem schweren Gerät zu. Karontiden schälten sich aus dem Regen, sie schwangen Äxte, ließen die Klingen gegen Holz krachen. Wesen der Wilden Jagd, die als Wachen über der Streitmacht kreisten, schrien warnend auf, aber da schlug Grimm schon wie ein Blitz in die Linien ein. Sein Schwert flog nach links, nach rechts. Er schlug die Klinge in den Nacken von Karontiden, riss sie heraus, holte wieder aus. Gebrüll erschallte, die Wilde Jagd flatterte von den Bäumen wie ein erschrockener Krähenschwarm. Kommandeure und Krieger glaubten an eine Attacke der gogräflichen Reiterei und schlossen daher die Reihen, anstatt gleich zum Gegenangriff anzutreten.
Grimm glich einem Käfer, der in wimmelnde Ameisenhorden geraten war. Wogen brandeten gegen ihn an, aber er schlug, hieb und stach sich den Weg frei. Das grüne Blut der Wesen der Wilden Jagd, das gelbe Blut der Karontiden, das rote Blut der Menschen sprühte von seiner Klinge, bildete Schlieren in der Luft, die vom Regen zu Boden gerissen, von Füßen und Hufen in den Matsch getrampelt wurden. Die Verwirrung in der Streitmacht war groß und wurde noch größer, weil man sich gegen den Ansturm der restlichen Reiterei wappnete. Tausende Augenpaare blinzelten in den Regen, suchten die triefende Landschaft ab, ohne den Feind erspähen zu können. Schließlich schrie jemand: »Das ist Grimm!« Der Ruf ging wie ein Echo durch die Reihen: »Grimm! Grimm!« Der Eiserne König horchte in seiner Kutsche auf; Blaubart stemmte sich in der Sänfte hoch und brüllte, man solle den Dreckskerl erschlagen; Barbera legte sich eine Hand vor den Mund und sah sich furchtsam um. Im nächsten Augenblick galoppierte Grimm an ihr vorbei, und sein Schwert sauste auf sie herab. Sie wich aus und fiel in den Matsch. Die Wunde unter ihrer linken Schulter, aus der Blut über den schwarzen Stoff ihres Gewandes sickerte, bemerkte sie nicht. Am Boden liegend, sah sie Grimm wie einen Wirbelwind davondonnern; der Regen hämmerte auf ihren Rücken, als wollte er sie in die Erde drücken.
Dann war der Spuk vorbei.
Grimm preschte nach Norden, verfolgt von der Wilden Jagd. Er ritt im Zickzack, schwang sein Schwert, schleuderte den abscheulichen Wesen ebenso abscheuliche Flüche entgegen. Sie hackten nach ihm, sie krallten nach ihm, ihr Geschrei gellte in seinen Ohren. Er riss den Rappen herum, tauchte unter ihnen durch und bog scharf nach Westen ab. Als er auf die Kuppe des letzten Hügels vor dem Welsfluss galoppierte, kam ihm die Reiterei der Gografen entgegen – ein Wall aus Lanzen und Brustpanzern, aus schnaubenden Pferden und wehenden Wimpeln. Die Wilde Jagd sauste steil nach oben, wirbelte durcheinander. Pfeile wurden in den Himmel gejagt. Die Wesen kehrten um, als wollten sie Verstärkung holen, und im nächsten Moment war Grimm umzingelt. Sein Ross tänzelte schnaubend im Matsch. Er lächelte unter dem Helm, ließ Schild und Schwert zu Boden fallen, rief, dass er sich ergebe. Man ergriff den Zügel seines Rappen, band ihm die Hände auf dem Rücken.
»Das ist Grimm«, murmelte Helmdag von der Usse.
»Warum ergibt er sich?«, fragte ein Ritter. »Will er zu uns überlaufen?«
»Wir schicken ihn zu meinem Bruder. Vielleicht bekommt er etwas aus ihm heraus.«
Fünf Reiter eskortierten Grimm nach Norden.
Links und rechts schüttete es wie aus Kübeln. Hans ritt nach Osten, bis der Wolfsfelsen im Dunst auftauchte. Sobald
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