Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
Vom Netzwerk:
Wiese schloss sich die Schneise im Regen.
    »Na, toll«, brummte Hans und sah sich um: Graues Gras, aus dem unzählige Maulwurfshaufen aufragten. Wenige Herzschläge später standen Ross und Reiter im prasselnden Regen.
    »Wollen mich diese Ragnarökk zum Narren halten?«, stöhnte Hans. Er kippte Wasser aus dem am Sattel hängenden Helm, saß ab und lief frierend über die Wiese. Was sollte er hier finden? Welche Hilfe war hier zu erwarten? Vor ihm rissen sich die Klippen in die Höhe und verschwanden hinter grauen Regenschleiern. Hans stand da, nass bis auf die Haut, ratlos und verzweifelt. Der Kaltblüter drehte seine Kruppe in den Wind, ein Bild des Gleichmuts, das Hans aber auch nicht aufheitern konnte. Ihn überkam ein großer Zorn. Was hatte er während der letzten Zeit alles erdulden müssen! Und wofür? Sie hatten die Esche unter Qualen und Verlusten aus den Händen des Feindes befreit, und nun wollte sie sterben; sie hatten Maleen vor Grimm gerettet, aber auch sie schien dem Baum nicht helfen zu können; Hardt war tot, Horn von der Fahne gegangen, Tiere und Ragnarökk verweigerten ihre Hilfe, das Heer der Gografen konnte der geballten Macht des Eisernen Königs nicht standhalten. Wozu also die Plackerei? Warum stand er hier im Regen, geführt von einem Wunder, das es angeblich gar nicht gab, geleitet von Worten aus einem Traum? Fünf Finger. Pah! Er ballte sie zur Faust, fluchte und stampfte auf den aufgeweichten Boden.
    »Länger lebt, wer sich nicht aufregt«, sagte jemand.
    Hans erstarrte, die Fäuste geballt, das Gesicht zur Grimasse verzerrt, und sah sich um. Da war nur sein Pferd, das stoisch dem Regen trotzte.
    »Hier bin ich, du langes Elend«, rief die Stimme. »Du stehst direkt vor meiner Haustür.«
    Als Hans den Blick senkte, bemerkte er einen Maulwurf, der aus der Erde lugte. Maulwürfe galten als Einzelgänger; dass sie sich, wie die Haufen zeigten, so zahlreich auf der Wiese versammelt hatten, war ungewöhnlich.
    »Unsere Gänge und Burgen saufen ab«, klagte der Maulwurf. »Kann bitte jemand den Regen abstellen?«
    »Das sind die Ragnarökk«, sagte Hans, den der Anblick des dunkelpelzigen Tieres milder stimmte.
    »Diese halbnackten, hässlichen Wesen, die sich vor der Welt verbergen?«, ätzte der Maulwurf. »Das sieht ihnen ähnlich.« Er schielte zu Hans hinauf und ergänzte. »Du bist wenigstens bekleidet. Sehr schick. Sehr flott.«
    Hans zupfte an der Hirschlederhose. »Ich bin noch nasser als damals am Dunkelpfuhl«, murmelte er.
    Der Maulwurf starrte ihn an. »Dunkelpfuhl …«, brummte er und verschwand im Gang, um kurz darauf mit einem anderen Maulwurf zurückzukehren. »Ist er das?«, fragte er.
    Der zweite Maulwurf verengte die Augen. »Du weißt doch, dass ich kurzsichtig bin«, erwiderte er.
    »Der Dunkelpfuhl«, drängte ihn sein Freund. »Das Unwetter. Dort hat dich jemand vor dem Kerl gerettet, der aussieht, als hätte er Erdbeeren auf den Augen. Ist dies der Mann, der dich gerettet hat?«
    »Gut möglich.«
    »‹Gut möglich‹ reicht nicht. Denk nach.«
    »Ich müsste einen Blick auf sein Schwert werfen«, sagte der zweite Maulwurf. »Es fuhr neben mir in die Erde und war das Einzige, was ich deutlich gesehen habe.«
    »Dein Schwert, Mann«, herrschte der erste Maulwurf Hans an. »Zeig uns dein Schwert.«
    Der verdutzte Hans legte sein Schwert vor den Maulwürfen auf den Boden. Der zweite Maulwurf zwängte sich aus dem Haufen und trippelte längs der Klinge auf und ab. Dann sagte er: »Ja, das ist es. Hier, unter dem Griff, ist ein Stern eingraviert. Ich erinnere mich an diesen Stern.« Er sah dankbar zu Hans auf und rief: »Das will ich dir gedenken und vergelten!«
    »Man hält uns für Schädlinge und Egoisten«, sagte der erste Maulwurf, »man jagt und tötet uns, aber du hast einem der unseren das Leben gerettet, und das vergessen wir nicht. Wie können wir dir helfen?«
    Hans bückte sich zu den zwei handtellergroßen Tieren hinab. Er musste grinsen, schilderte dann aber kurz und knapp die Lage und sein Ansinnen.
    »Oh, oh, oh«, murmelte der zweite Maulwurf. »Der Eiserne König …«
    »Ja, und?«, fuhr ihn der erste an. »Der Mann hat auch Beine, mit denen er auf dem Boden steht, oder? Wir trommeln alle zusammen und buddeln uns durch bis zur Hohen Heide. Die Erde ist butterweich. Und dann …« – er kicherte – »… wird dieser König sein blaues Wunder erleben.«
    Hans verkniff sich eine Erwiderung und stand eine Weile nachdenklich im Regen.

Weitere Kostenlose Bücher