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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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sie im Gewölbe eingesperrt«, erwiderte Sneewitt. »Sie waren im Gold gefangen.«
    »Das Gold ist fort, die Weiber sind tot, ihr Haus liegt in Schutt und Asche«, wiederholte Grimm hartnäckig. »Barbera fehlt mir noch … Ich hätte sie fast erwischt, als ich die Linien durchbrochen habe. Aber ich werde meine Rache vollenden!«
    »Warum?«, wollte Sanne wissen.
    Grimm verzog das Gesicht zur scheußlichen Grimasse. »Man hat mich gedemütigt, verhöhnt, verspottet. Ich war ihr Galan. Oh, wie ich Blaubart und den Eisernen König hasse!«, zischte er.
    Schweigen trat ein. Das Feuer qualmte, der Regen trommelte. Es roch nach Rauch und nassem Waldboden. Rostflecken zeigten sich auf Harnischen, die Kleider rochen klamm und stockig.
    Grimm richtete sich auf und sah dem Gografen in die Augen. »Ich weiß, wie und wo der Bart des Eisernen Königs vernichtet werden muss«, verkündete er. »Die weisen Weiber haben sich kurz vor ihrem Tod verplappert. Ich will meine Rache. Ich werde Euch helfen. Vertraut mir.«
    »Eine Kreuzotter verdient mehr Vertrauen«, brummte Meister Grimbart.
    Die Muhme humpelte am Stock zu Grimm. Sie reichte ihm nur bis zur Brust und musste den Kopf mit der Haube weit in den Nacken legen, um ihm in das Gesicht schauen zu können. Ihr Blick verschmolz mit dem seinen, drang tief in ihn ein. So standen sie eine ganze Weile da, stumm und reglos. »Leer«, murmelte sie schließlich. »In dir herrscht finstere Leere. Da sind nur Hass und Wut und Zorn. Aber …« – sie drehte sich zum Gografen um – »… es ist wahr: Alles richtet sich gegen unsere Feinde.«
    »Ich helfe euch«, stieß Grimm hervor und riss seinen Blick von dem der Muhme los. »Wer siegt, ist mir gleich. Aber ich will Genugtuung: Barbera soll in ihrem Blut schwimmen, Blaubart auf dem Schlachtfeld vermodern. Und der Eiserne König soll für immer im Nichts umherirren.«
    »Immerhin heuchelt er keine Freundschaft«, sagte Sneewitt mit leisem Spott, ein Zeichen dafür, dass sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte.
    »Was muss mit dem Bart geschehen?«, fragte Rumpenstünz.
    Grimm sah ihn an. Er grinste mit schmalen Lippen. »Zuerst müssen wir zur Esche. Alles Weitere erfahrt ihr dort.«
    »Gut, gut«, brummte Hilck von der Usse, der zwischen seine Anführer zurücktrat. »Kettet diesen Kerl an einen Baum und bewacht ihn. Wir werden über die Sache beraten.«
    Nachdem man Grimm abgeführt hatte, wurden im Unterstand sowohl erstaunte als auch skeptische Blicke gewechselt, und es entbrannte eine heftige Diskussion über die Frage, ob man ihm vertrauen konnte.
     
    Hans saß erschöpft im hohlen Stamm einer Eiche, die sich am Rand von Isarnho erhob. Sein Kopf schwirrte, und er fasste an seine Stirn – hatte er Fieber? Vor ihm schwelte ein kleines Feuer, der Kaltblüter stand unter den ausladenden Ästen einer benachbarten Eiche, deren graue Laubreste etwas Schutz vor dem Regen boten. Hans dachte an Maleen und daran, dass die Esche sterben wollte; er dachte an Grete, die in der kühlen Erde ruhte. Dann fielen ihm die Augen zu, und an den Sattel gelehnt, versank er in einen unruhigen, traumlosen Schlaf.
    So verging die Nacht. Als er erwachte, rauschte der Regen in der Dunkelheit. Er meinte, ein Zwitschern zu hören, aber das konnte nicht sein, denn Vögel und Wild hatten sich versteckt. Er legte Klaubholz auf die Glut, schlang sich in den Mantel und schlief wieder ein. Nun träumte er die Träume des frühen Morgens, eine Phase, in der die Seele zwischen Licht und Dunkel hing und versuchte, sich aus der Nacht in den Tag zu reißen: Er befand sich in einer Feste, die er nie betreten hatte, aber oft im Traum durchwanderte, und begegnete Fremden, die ihm seltsam vertraut waren; man trachtete ihm nach dem Leben, und eine dunkelhaarige, an Barbera erinnernde Frau stieß ihm einen Dolch in die Brust; dann bebte die Erde, die Luft verdickte sich zu winzigen, summenden Wesen; Panik brach aus, Menschen flohen, nur er stand wie angewurzelt da, den Dolch in der Brust, aber er fürchtete sich nicht, nein, er hatte sich im Gegenteil nie freier und leichter gefühlt; überall Aufruhr und Flucht, und er fühlte sich sicher und geborgen, während Blut sein Wams durchnässte.
    Er fuhr aus dem Schlaf auf, betastete erschrocken seine Brust und leckte am Finger, aber es war nur Wasser, das durch ein Loch im Holz tropfte. Draußen schnaubte der Kaltblüter. Der bekannte Laut beruhigte Hans. Er legte wieder Holz nach und starrte durch den Spalt im Stamm in den

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