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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Höhlenwand, und summten tief in der Kehle. Hans zog sich am Sattel des hinter ihm stehenden Kaltblüters hoch und trat an das Feuer. Seine Angst war verflogen, denn er war frei und unversehrt, was bewies, dass ihm die Fremden nicht feindlich gesinnt waren. Da fiel ihm ein, was Gografen und Ritter, Fuchs und Dachs von den Ragnarökk erzählt hatten, und er begriff, dass er es mit Angehörigen dieses sagenhaften Volkes zu tun hatte.
    Alle drei verstummten, als hätten sie seine Gedanken gelesen.
    Hans setzte sich und sagte: »Wie gut, dass ich Euch getroffen habe. Wir brauchen Eure Unterstützung, denn sonst wird uns die Streitmacht des Eisernen Königs zerschmettern, und dann ist Pinafor endgültig verloren.«
    Der Wicht strich über den kahlen Kopf, zog am Schnurrbart, dessen verfilzte Enden bis in den Schoß hingen, und fauchte: »Wir sind Ragnarökk. Wir helfen nicht, und wir wollen nichts mit euch zu tun haben.«
    »Wir lassen es nur regnen«, setzte die Dame hinzu. »Regnen, regnen, regnen, regnen, regnen.«
    Hans betrachtete ihre silberpappelfarbigen Haare – sie lagen auf ihren Wangen, kreuzten sich über dem Schlüsselbein und wanden sich unter den tätowierten Brüsten auf den Rücken, wo sie sich ein zweites Mal kreuzten und wieder nach oben führten. »Wollt ihr wirklich zulassen, dass der Eiserne König siegt?«, wandte er ein.
    »Ihr Menschen«, erwiderte der Greis, dessen langer Bart wie ein Lendenschurz im Gürtel steckte, »hofft immer, dass euch Wunder helfen. Aber es gibt keine Wunder.«
    »Wir helfen nicht«, wiederholte der Wicht.
    »Wir lassen es nur regnen«, flüsterte die Dame und starrte in den Qualm des Feuers.
    »Mücken und Ameisen werden sich beweisen«, murmelte der Greis. »Wo der Maulwurf gräbt, kann es sein, dass die Erde bebt.«
    Bei diesen Worten horchte Hans auf. »Das hat Maleen mir im Traum gesagt.«
    »Die Hüterin der Esche«, sagte die Dame. »Aber die Esche will sterben. Sie fügt sich in ihr Schicksal.«
    »Was redet ihr da?«, rief der entsetzte Hans.
    Der Wicht riss am Schnurrbart und schrie: »Wir helfen nicht, wir helfen nicht, wir helfen nicht! Begreif das endlich.«
    Hans starrte auf die grünlich tätowierten Oberkörper: Runen, Zauberzeichen und okkulte Symbole auf blasser, teils faltiger Haut. Warum verweigerten die Ragnarökk, deren Welt doch auch auf dem Spiel stand, ihre Hilfe?
    »Reite weiter«, sagte der Greis.
    »Der Regen wird dir den Weg weisen«, sagte die Dame.
    »Wir helfen nicht«, fauchte der Wicht.
    »Ja, ich habe begriffen«, erwiderte Hans unwirsch und stand auf. »Danke für den kurzen Schlummer und das Plätzchen im Trockenen.« Er führte den Kaltblüter nach draußen, ohne sich noch einmal umzudrehen, und zischte, als er aufsaß: »Diese Trottel.«
    Wie als Antwort schallte es aus der Höhle: »Fünf Finger hat die Hand!«
    Der Welsfluss toste nebelsprühend und gischtbrausend durch das Himmelstor, ein passender Name, denn der Himmel hatte tatsächlich alle Tore geöffnet. »Was nun, mein Alter?«, fragte Hans den Kaltblüter. Der schnaubte, dann merkte er auf. Als Hans seinem Blick folgte, stellte er erstaunt fest, dass der Regen wie ein Vorhang vor ihm aufglitt. »Der Regen weist den Weg«, murmelte er und trabte in die Schneise. Links und rechts von ihm schüttete es in Strömen, aber er blieb trocken. »Weder Hilfe noch Wunder«, dachte er bei sich. »So, so …«
    Er ritt zwischen Fluss und Steilklippen. So weit war er noch nie nach Westen vorgestoßen. Niemand wusste, was jenseits des Gretings lag. Früher, lange vor der ersten Herrschaft des Eisernen Königs, war der Heerweg Teil einer Handelsroute gewesen, die Pinafor mit den Reichen im Westen und Osten verbunden hatte, aber diese Route war unterbrochen worden. Seit Jahrhunderten hatte niemand mehr Pinafor verlassen, die Neugier auf das Fremde war Furcht gewichen. Man begnügte sich mit dem, was man hatte, und mied gefahrvolle Reisen. Aber vielleicht, dachte Hans, während er dahintrabte, würde sich das irgendwann ändern. Man konnte nicht für immer im eigenen Saft schmoren. Und wäre es nicht wunderbar, wenn ein befreundetes Land Truppen schicken würde? Gepanzerte Lanzenreiter und kampferprobtes, schlagkräftiges Fußvolk, die der Streitmacht des Eisernen Königs die Stirn zu bieten vermochten?
    Seine Grübelei wurde jäh unterbrochen, denn der Kaltblüter blieb stehen. Er schnaubte und scharrte mit einem zottigen Vorderhuf im Matsch. Dann bog er vom Heerweg ab. Mitten auf einer

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