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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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nur eine Hand freihatte, verlor den Halt und fiel aus dem Sattel. Er sprang sofort wieder auf, um nach dem Zügel zu greifen, aber sein Pferd hatte die Flucht ergriffen. »Zicke und Zecke«, fluchte er und lief in das Labyrinth. »Maleen!«, brüllte er. Staub trübte die Sicht, Heulen und Bersten waren so laut, dass es in seinen Ohren pfiff, Zweige prasselten auf die Wurzeln, prallten ab und sausten wie Geschosse durch die Luft. Rumpenstünz drang weiter vor, als wieder ein Ast in die Tiefe rasselte und links von ihm auf den Wurzeln zerbarst. Im nächsten Augenblick wurde er von einem Splitter getroffen, der eine tiefe Delle in seinem Schild hinterließ und ihn von den Beinen warf. »Das ist der Vorhof zur Hölle«, murmelte er, als er sich aufrappelte und den Zweihänder zurechtrückte. Er zwängte einen Finger durch den Sehschlitz des Helms und rieb seine brennenden Augen. Dann ging er weiter, immer im Wissen, dass ihn der Schild nicht davor behüten konnte, von einem Ast erschlagen zu werden.
    Maleen saß vor dem Eschenstamm wie im Auge des Sturms. Tränen schlierten über ihre dreckigen Wangen und tropften auf ihre Brust. Als Rumpenstünz sie auf die Beine zerrte, flüsterte sie: »Ich habe versagt.«
    »Unsinn! Blödsinn!«, rief er und zog sie unter seinen Schild. »Wir müssen hier weg.«
    Ein Schluchzer entrang sich Maleen, und sie streichelte ein letztes Mal die Esche. Dann wurde sie von Rumpenstünz im Eilschritt mitgerissen. Über ihren Köpfen zerschellten immer wieder Äste und stürzten in das Labyrinth. Rumpenstünz, der Maleen eng an sich drückte, kletterte über geborstenes Holz, trat Hindernisse aus dem Weg und nutzte die Wurzeln als Deckung. Er schwitzte unter dem stickigen Helm, das Wams klebte an seinem Körper, es juckte ihn überall. Er hätte sich verirrt, wenn er sich nicht an die von Eisenhans angebrachten Markierungen gehalten hätte – die Fingernägel der blinden Feen. Maleen hing wie ein nasser Sack in seinen Armen, und er begann zu erlahmen. Die ganze Welt schien zu donnern und zu krachen. Die Esche ächzte und knarrte wie ein Schiff im Sturm, eine graue Wolke verhüllte alles. Draußen vor dem Wurzellabyrinth wurden sie von Sneewitt erwartet, die auf ihrem tänzelnden Kaltblüter saß. »Aufsitzen!«, schrie sie.
    Rumpenstünz schob Maleen mit letzter Kraft auf die Kruppe des Pferdes und stolperte zu Fuß weiter. Im Gang riss er den Helm ab. Seine Locken klebten am Kopf, und Schweiß, der Dreck und Holzspäne mitschwemmte, lief über seinen Hals. Er sank keuchend zu Boden.
    »Danke«, sagte Sneewitt und strich über seine klitschnassen Haare.
    Er nickte nur und ließ sich die Wasserflasche reichen.
    Maleen lag wie tot auf den Steinen.
    Kurz darauf verhallte das Krachen. Noch ein Heulen, das wie ein letztes Aufbäumen klang, dann lichtete sich der Staub und enthüllte den verstümmelten Stamm.
    Sneewitt legte sich entsetzt eine Hand vor den Mund.
    »Fällt die Esche, dann fällt die Welt«, winselte der Fuchs, der sich furchtsam zusammenkauerte.
    »Seht nur«, stieß Meister Grimbart hervor.
    In der plötzlichen Stille löste sich das allerletzte Eschenblatt. Es segelte hin und her wie von einem Luftzug getragen, flog auf, überschlug sich – und begann zu sinken. Gefährten und Tiere sahen mit angehaltenem Atem zu, wie es langsam, ganz langsam in die Tiefe kreiselte. Schließlich verschwand es im Wurzellabyrinth.
    Niemand wagte, sich zu regen, niemand wagte zu atmen. Alle standen da, gelähmt von namenloser Angst. Alle sahen, wie sich die Schwärze eines unsichtbaren Feuers am Stamm nach oben fraß. Der riesige Baum begann zu beben. Seine Rinde platzte auf. Risse, in denen die grüne Kraft glühte, um kurz darauf für immer zu erlöschen, klafften von tief unten bis hoch oben.
    All das vollzog sich lautlos.
    Dann zersprang die Esche mit einem Knall in Abertausende von Stücken, die wie schwarze Sterne gegen die Felswände der Grotte prasselten.
    Das Prasseln hielt eine gefühlte Ewigkeit an.
    Endlich trat wieder Stille ein.
    Über dem Wurzellabyrinth tat sich eine Leere auf.
    Ein spitzer Schrei ertönte, und als sich Sneewitt mit Tränen in den Augen umdrehte, sah sie die Eichhörnchendame, die mit weit aufgerissenen Knopfaugen die Pfoten rang.
     
    Ein Beben durchlief Pinafor, schüttelte die kahlen Bäume in Wäldern und auf Fluren und ließ Äste zu Boden regnen. Das war alles. Entgegen allen Prophezeiungen und Legenden ging die Welt mit dem Tod der Esche nicht unter.
    Die

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