Der Eiserne König
Harlung samt ihrem Heer verrecken werden? Dass es besser ist, wenn dieser in Eisen gewandete Untote Pinafor beherrscht? Nein! Nein! Nein! Nein!« Sie stieß das Messer bei jedem Schrei in den Boden, wühlte Steine und lose Erde aus dem Loch. Der Schweiß lief über ihre Stirn, auf der feuerrote Haare klebten, und auf ihrem Rücken breitete sich ein großer, dunkler Fleck aus. »Glaubt ihr, ich hätte all das umsonst durchgemacht?«, rief sie. »Glaubt ihr, ich wäre umsonst verwundet und gemartert worden oder hätte umsonst miterlebt, wie Hardt gestorben ist? Ich gebe nicht auf, ihr Schlappschwänze.« Ihre Stimme kippte um, aber sie hörte nicht auf zu graben.
»Das ist die richtige Einstellung«, brummte Meister Grimbart, lief zu Sneewitt und scharrte mit den Pfoten im Loch. »Nicht klein beigeben.«
»Soll das ein Bau werden?«, spottete der Fuchs. »Willst du hier doch überwintern?« Als Sanne ihn vorwurfsvoll ansah, knurrte er: »Dachse stinken nicht nur, sie sind auch stinkend dumm.« Dann trabte er zum Loch und half beim Graben.
Dämmerlicht wurde zu Dunkelheit, und die Muhme entfachte ein Feuer. Sie schürte es mit dem Holz der Esche, wobei sie Sprüche vor sich hinmurmelte, um sich für diesen Frevel zu entschuldigen.
»Ein halber Klafter«, keuchte Rumpenstünz. Er steckte einen Arm in das bis zur Schulter reichende Loch. »Unten spüre ich massives Gestein. Tiefer geht es nicht.«
»Hör auf zu graben«, erwiderte Sanne. »Es muss reichen.«
Fuchs und Dachs leckten ihre wunden Pfoten. Sneewitt stand erschöpft am Feuer. Die Muhme sagte: »Nun gut – versuchen wir unser Glück. Her mit dem Krempel.« Sie fiel ächzend auf die Knie, ließ sich das Bleikästchen mit dem gekappten Bart des Eisernen Königs reichen und stellte es in das Loch. Dann bedeckte sie es mit etwas Geröll, entkorkte einen Bocksbeutel und goss den Inhalt darauf.
»Bäh! Stinkt wie Ochsensaft«, keckerte der Fuchs.
Die Muhme schüttete Eberblut und Ziegenmilch in das Loch. Nachdem der letzte Tropfen vergluckert war, sah sie zu ihren Gefährten auf und sagte: »Ich weiß nicht, was zu tun ist. Gibt es Riten? Gesänge? Beschwörungen?«
Rumpenstünz, hundemüde und erledigt, stieß mit dem Stiefel Erde in das Loch. »Simsala-bimbam-dasala-du«, murmelte er.
»Tja, das ist wohl ebenso gut wie jeder Zauberspruch«, sagte die Muhme und wiederholte die Worte. Dann schob sie mit beiden Händen Geröll nach.
Sanne tat es ihr gleich, aber Sneewitt starrte ihre Gefährten entgeistert an. »Was soll das?«, schrie sie. »Bimbam-Salat mit Dasaladum? Hier geht es um Sieg oder Niederlage. Um das Schicksal Pinafors.«
Der Fuchs drängte sich an ihr vorbei. »Simsala-dusala-bim-bam-bum«, rief er und ergänzte die Säfte mit einem Schuss seines Urins.
»Geruhsames Vermodern«, sagte der Dachs zum Bart und begann, das Loch zuzuscharren.
Sneewitt wollte etwas einwenden, blieb aber stumm. Ihr Kinn bebte, dann bebten ihre Schultern. Schließlich bebte sie am ganzen Körper und weinte bitterlich – um Pinafor, um die Esche, um ihre todgeweihten Freunde. Sie fiel auf die Knie und ließ ihre Tränen in das Loch regnen. Der Dachs wich ihr erschrocken aus. »Ihr … ihr Trottel«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Was habt ihr getan? Wir wollten den Eisernen König schwächen, und nun …« Sie verschluckte sich an ihren Tränen und musste husten. Rumpenstünz legte ihr eine Hand auf die Schulter, aber sie stieß ihn weg. »Haut ab! Lasst mich allein!«, zischte sie. »Ihr … ihr seid ja so erbärmlich.«
Die Muhme betrachtete sie sorgenvoll. Dann seufzte sie und ging davon, gefolgt von Sanne, Rumpenstünz und Reineke Fuchs. Meister Grimbart blieb bei der untröstlichen Sneewitt. Das Feuer verglomm, und Dunkel füllte den Raum aus, den die Esche eingenommen hatte.
Noch während die Streitmacht aufmarschierte, begann der Beschuss durch die Katapulte. Feuer loderten auf dem Hügel, Zelte entfalteten sich, Palisaden wuchsen aus dem Boden, und es wimmelte von Feinden, deren Schatten über die Schilfwälder zuckten.
»Sie haben sich noch nicht eingeschossen«, sagte Harlung.
»Wie auch?«, erwiderte Hans. »Sie wissen nicht genau, wo wir sind.« Er fragte sich im Stillen, was die Maulwürfe taten, die sich direkt unter den Füßen des Feindes befanden. Dann rasselte das Schilf, und ein Klatschen ertönte. Das Geschoss war weit vor den Stellungen des Heeres eingeschlagen, aber durch die Reihen der Krieger ging ein unruhiges
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