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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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bin ja auch ein paar Minuten jünger als du.«
    »Wer ist die Frau?«
    Helmdag zuckte mit den Schultern.
    »Bald wird es dunkel«, sagte Hilck und stieg vom Baum. »Sie werden den Aufmarsch über Nacht vollenden. Sie werden uns erst beschießen und dann angreifen. Uns bleibt wenig Zeit.«
    Die Gografen besprachen sich mit Hans, Harlung und den anderen Anführern. Danach eilte jeder zu seinem Truppenteil. Die Männer hockten hinter Barrikaden aus schrägstehenden, spitzen Pfählen auf der Erde, durchnässt und frierend, denn es durfte kein Feuer entfacht werden. Im dichten Schilf war das Heer fast unsichtbar. Das war ein Vorteil, aber die Stimmung sank. Viele Männer zweifelten an einem Sieg und wären gern heimgekehrt, obwohl sie wussten, dass der Eiserne König das Land fest im Griff hatte.
    Die Nacht brach an. Während der Feind mit viel Lärm und Gebrüll aufmarschierte, loderten Feuer auf dem Hügel. Später, weder Mond noch Sterne waren am Himmel zu sehen, segelten heiser schreiende Eulen über den Unkengrund und schreckten das Heer der Gografen auf. Die Eule galt wie der Kiebitz als Todesbote, und viele Krieger zitterten in abergläubischer Furcht. Die Unken schwiegen, aber die Irrlichter tanzten zwischen Schilf und Binsen ihren Reigen wie zu einer Melodie, die nur ruhelose Seelen hören konnten.
     
    An Stelle der Esche tat sich eine große Leere auf. Durch den Schacht, in dem die Baumkrone verschwunden war, fiel das abendliche Dämmerlicht und breitete sich in der Grotte aus. Die Gefährten hielten Rat.
    »Wir müssen sofort handeln«, drängte Sneewitt.
    »Die Esche ist tot, wir haben nicht Neumond, die Säfte sind falsch«, wandte Rumpenstünz ein. »Es wäre sinnlos.«
    Sanne schwieg bedrückt.
    Sneewitt starrte Rumpenstünz an. »Hasenfuß«, zischte sie, griff nach den Bocksbeuteln mit den Säften der Ragnarökk, klemmte sich das Bleikästchen mit dem Bart unter den Arm und ging mit raschen Schritten zum Labyrinth.
    »Warte!«, rief Meister Grimbart. »Ich komme mit.« Er winkte dem Fuchs mit einer Pfote.
    »Ich stimme Rumpenstünz zu«, meckerte der. »Ich finde, dass wir hier in der Grotte überwintern sollten. Hier ist es nett und gemütlich.«
    »Nett und gemütlich?«, erwiderte der Dachs. »Während die Welt in Stücke fällt? Na, verkriech dich nur, du Egoist.« Er schnaubte angewidert und folgte Sneewitt.
    Sanne und die Muhme tauschten einen Blick und setzten sich auch in Bewegung. Rumpenstünz seufzte, denn Maleens Rettung steckte ihm noch in den Knochen. Er drehte sich zu seiner Tochter um und murmelte: »Ich kann sie nicht im Stich lassen.«
    Alwine, die die verzweifelte Eichhörnchendame an ihre Brust drückte, sah zu ihm auf. »Sei vorsichtig«, bat sie und wandte sich der bewusstlosen Maleen zu.
    Rumpenstünz sputete sich, die Gefährten einzuholen, gefolgt vom missmutigen Fuchs.
    Sie versanken bei jedem Schritt bis zu den Waden in Splittern und Rindenstückchen. Im Wurzellabyrinth mussten sie über gestürzte Äste klettern. Das war mühsam für die Muhme, aber im Gegensatz zum Fuchs beklagte sie sich kein einziges Mal. In der Mitte des Labyrinths wurde ihnen das Fehlen der Esche wieder auf das Schmerzhafteste bewusst, denn von dem Stamm zeugte nicht einmal mehr ein Stumpf. Nur die Wurzeln sprangen nach wie vor aus der Erde und verflochten sich ringsumher zu einem dichten Gespinst.
    »Was für ein Trümmerberg«, meckerte der Fuchs. »Und hier wollt ihr etwas eingraben? Viel Vergnügen.«
    Sneewitt sah ihn finster an. Gemeinsam mit ihren Gefährten räumte sie eine ausreichend große Stelle frei. Dann versuchte Rumpenstünz, mit dem Dolch ein Loch zu graben. »Mist!«, schrie er und schüttelte sich Schweiß aus den Locken. »Der Boden ist viel zu hart und steinig.« Er warf den Dolch weg, dass es klirrte, und kam auf die Beine.
    »Habe ich doch gesagt«, bemerkte der Fuchs. »Lasst uns hier lieber überwintern. Hier ist es …«
    »… nett und gemütlich«, vollendete der Dachs den Satz und glotzte seinen Gefährten an, als wollte er ihn fressen.
    Der legte schmollend den Fang auf die Pranten.
    Sneewitt arbeitete mit ihrem Messer wie besessen weiter. Sie hackte, grub und bohrte und nahm sogar die Hände zu Hilfe, die bald zerschunden waren. Sie schnaufte und keuchte, dass die Muhme es mit der Angst bekam.
    »Sneewitt«, rief sie. »Hör auf. Vielleicht stimmt es ja.«
    »Was stimmt?«, schrie Sneewitt über die Schulter. »Dass die Sache sinnlos ist? Dass Hans und die Gografen und

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