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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Eiche geschlüpft zu sein schien.
    »Wir helfen nicht! Wir helfen nicht!«, schrie er. Dann rannte er davon.
    Grimm hieb seinem Rappen die Sporen in die Flanken und nahm die Verfolgung auf.
    »Verflucht! Komm schon«, zischte Sneewitt, griff nach dem Zügel des zweiten Kaltblüters und preschte los. Rumpenstünz wäre fast aus dem Sattel geflogen. Er klammerte sich an den Hals des Pferdes und rieb mit der anderen Hand seine Augen.
    Aber so schnell sie auch ritten, sie holten den Wicht nicht ein. Er lief, als würde er Siebenmeilenstiefel tragen, drehte sich immer wieder um und schrie: »Wir helfen nicht!«
    »Missgeburt!«, brüllte Grimm. »Wer bist du? Was willst du? Bleib stehen!« Die Hufe seines Rappen donnerten über den Waldboden, Laub flog durch die Luft. Sie wurden immer tiefer in den Greting gelockt. Schließlich zügelte Grimm sein Ross so ruckartig, dass Sneewitt einem Zusammenstoß nur mit knapper Not entging. »Was soll das?«, rief sie.
    Grimm drehte sich zu ihr um. Seine Rubinaugen funkelten im Sehschlitz des Helms, als er auf eine Hütte zeigte, die sich vor eine hohe Felswand duckte. »Da«, sagte er nur.
    »Ja, ich kenne die Hütte«, erwiderte Sneewitt. »Und?«
    »Wartet hier«, sagte Rumpenstünz. »Ich habe die Bude schon einmal gesichert.« Er zog den Zweihänder vom Rücken und schlich zur Hütte, horchte und stieß die Tür dann mit der Schwertspitze auf. Die Angeln kreischten wie rollige Katzen. Vor den samtbespannten Innenwänden brannten alle Kerzen, ein Kohlebecken spendete Wärme. Auf der Bettstatt saßen ein hagerer Greis und eine hochgewachsene Dame, beide mit tätowierter Brust. Der schnurrbärtige Wicht stand vor ihnen und rief wieder: »Wir helfen nicht!«
    »Kommt herein«, sagte die Frau.
    Rumpenstünz starrte die Gestalten an. Ihm dämmerte, dass es Ragnarökk waren, und er winkte seinen Gefährten. Grimm trat zögernd und mit gesenktem Blick ein. Sneewitt schloss die Tür. Der Kerzenschein warf die Schatten kreuz und quer durch den Raum.
    Die Dame sprach: »Fünf Finger hat die Hand.«
    Rumpenstünz stutzte. Dann zählte er die Finger seiner linken Hand. »Stimmt«, brummte er.
    »Ygdrall trauert«, sagte der Greis. »Sie weint bittere Tränen, denn die Esche will sterben.«
    »Wir alle müssen sterben«, grollte Grimm, der sich gegen die Erinnerung an jene Stunden wehrte, die er in dieser Hütte mit Barbera verbracht hatte.
    »Ja, das müssen wir«, sagte Rumpenstünz. »Aber wir wollen nicht. Oh, nein.«
    »Könnten wir das Thema wechseln?« Sneewitt drehte sich zu den Ragnarökk um. »Wir brauchen Ziegenmilch, Ochsenblut und Ebersaft«, sagte sie.
    Der Greis sah die Gefährten fragend an.
    »Haben wir nicht«, rief der Wicht.
    »Ihr wollt den Bart des Eisernen Königs vernichten«, sagte die Dame nachdenklich. »Das geht nur bei Neumond. Und es ist kein Neumond.«
    »Kein Neumond«, jubelte der Wicht.
    »Ich mache diesen kleinen Spielverderber gleich einen Kopf kürzer«, knurrte Grimm.
    »Bedenkt«, rief der Greis, der seinen langen Bart tiefer durch den Gürtel zog, um seinen Schritt zu bedecken. »Bedenkt!«
    »Bedenken? Was denn?«, fragte Rumpenstünz ungeduldig. Er ließ den Blick über den weißen Samt der Wände gleiten, auf denen die Schatten im Kerzenschein tanzten. »Was sollen wir bedenken?«, schrie er. »Heraus damit!«
    Der Greis starrte ihn an, als wäre er schwer von Begriff.
    »Wollt ihr uns veräppeln?«, fragte Grimm.
    Sneewitt zuckte bei seiner Frage zusammen.
    »Unser Volk hat sich hinter dem Schleier der Welt versteckt«, sagte die Dame. »Und wir sind hier …«
    »Um euch nicht zu helfen«, ergänzte der Wicht.
    Rumpenstünz stieß den Zweihänder in den Boden. Dann ging er und knallte die Tür hinter sich zu. Die Kerzen flackerten rußig.
    »Ich habe viele Stunden in dieser Hütte verbracht«, flüsterte Grimm, der sich fast furchtsam umsah.
    »Du hast von den Früchten des Übels gekostet und an den Blumen des Bösen gerochen«, erwiderte der Greis.
    Grimm glotzte ihn durch den Sehschlitz an. Die Knöchel der um den Schwertgriff liegenden Hand wurden kalkweiß. Dann ging auch er entnervt nach draußen.
    »Stroh wurde zu Gold, und das Gold vermodert«, hauchte die Dame. »Die Welt zerfällt.«
    Der Wicht sank auf die Knie, legte den Kopf in ihren Schoß und schluchzte. Der Greis sagte: »Es ist das Buckelkind ohne Geschlecht, das nicht wächst, aber altert. Versteht Ihr?«
    »Nein«, murmelte Sneewitt. »Um ehrlich zu sein, verstehe ich gar

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