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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Maultiers trägt Schwarz«, sagte er. Und fügte nach kurzem Schnuppern hinzu: »Es ist eine Reiter
in

    »Vielleicht eines der weisen Weiber«, sagte Hans.
    »Das hättest du wohl gern, wie?« Sneewitt sah ihn spöttisch an. »Barbera eilt brennend vor Sehnsucht herbei, um sich an deine Heldenbrust zu werfen. Träum weiter.« Sie lachte.
    »Die weisen Weiber tragen Weiß«, setzte Kunz hinzu und wischte sich Schweiß von der Stirn. Im Laufe des Vormittags war es immer schwüler geworden.
    »Jedes weiße Gewand hat dunkle Flecken, jeder schwarze Rock hat helle Kleckser«, sagte der Fuchs.
    »Bist du bei einem Maler in die Lehre gegangen?«, fragte Hardt, der grinsend am Spitzbart zupfte.
    »Seht!«, rief Sanne und zeigte durch eine Lücke im Laub zum Himmel.
    Vor einer Wolke zogen sieben schwarze Punkte dahin.
    »Die Raben …«, murmelte Horn. »Diese Jünglinge waren so mit Pfeilen gespickt, dass sie mausetoter als mausetot sein müssten.«
    »Sie kreisen über dem Dunkelpfuhl!«, rief der Dachs.
    Der Wind trug ihnen Gewieher zu. Die Kaltblüter schnaubten und schüttelten die lange Mähne.
    »Los, weiter!«, sagte Hans. Er gab seinem Pferd einen Klaps, und es sprang über einen abgebrochenen Ast. Die restlichen Gefährten ritten hinterher.
     
    Einerseits hatte der Dunkelpfuhl seinen Namen verdient: Das schwarze Wasser kräuselte sich im Wind; Schilf rauschte vor bewaldeten Ufern; tote Pappeln ragten zwischen Bäumen auf, deren Laub seltsam grau glänzte. Andererseits war der Name untertrieben, denn der sogenannte ›Pfuhl‹ war ein weiter See, Quelle der Fusel und Laichgrund der Lachse, die alljährlich den weiten Weg vom Meer durch Welsfluss, Usse und Fusel zurücklegten.
    Mitten im See lag eine Insel. Sie war ungewöhnlich felsig und erweckte den Anschein, als wäre sie durch Zauberhand bis zur Oberfläche des Dunkelpfuhls emporgehoben worden. Auf dieser Insel stand die alte Wetterfichte, die magisch die Blitze anzog und jeden Einschlag heil überstand. Am Fuß dieser Fichte saß das Mädchen unter einem Felsvorsprung. Wie sie dorthin gelangt war, blieb ihr Geheimnis. Niemand ahnte, wo sie sich verbarg, denn die Insel war weit vom nächsten Ufer entfernt. Die sieben Raben kreisten über Schilf und Wald. Das Mädchen ließ sie nicht aus den Augen und strickte dabei an einem Wollhemd. Sperling und Zeisig saßen auf einem Ast der Wetterfichte und putzten ihr Gefieder.
    Das Mädchen wusste von Hans und seinen Gefährten, denn sie hatte sie im Dorf an der Fusel gesehen und gespürt, dass sie gute Absichten hatten. Sie wusste auch, dass Grimm und die sieben Jünglinge sie töten wollten. Und sie wusste, dass es allen um die Karte auf ihrem Rücken ging – jene Karte, die man ihr in der Grenzfeste Rottland eingebrannt hatte, wo sie von Blaubart eingekerkert worden war. Sie erinnerte sich mit Grausen an jene Nacht: Das Klacken der Riegel, das sie aus dem Schlaf gerissen hatte; die Männer, die sie hastig aus dem Kerker in die Folterkammer geschafft und ihr die Karte mit glühenden Eisen auf den Rücken tätowiert hatten. Danach hatte man sie durch geheime Gänge gezerrt und durch eine Pforte aus der Grenzfeste gestoßen. ›Flieh!‹, hatte ihr einer der Männer zugerufen. Und sie hatte im Licht der Sterne gestanden, frei, aber ohne zu wissen, wie ihr geschah. Dann war sie in die Nacht getaumelt, um dem grausamen Blaubart zu entrinnen, der Frauen raubte und in seinen Kerkern quälte.
    Sie wusste nicht, was die Karte auf ihrem Rücken bedeutete, die sie nur einmal als verschwommenes Spiegelbild in einem Weiher erblickt hatte.
    Sie strickte weiter. Das letzte Hemd war fast fertig, es fehlten nur die Ärmel. Sie hielt es hoch – ja, es passte.
    Von Norden kamen schwarze Wolken. Der Wind frischte auf, und Gischt sprühte auf dem Dunkelpfuhl, auf dessen tiefstem Grund laut der Sagen Nöck und Nixen lebten.
     
    Die Gefährten hielten vor einem Schilfdickicht. Der Dachs huschte hinein. Als er zurückkehrte, sagte er: »Hinter dem Schilf beginnt der Pfuhl. Die Spur des Mädchens endet am Ufer.«
    Hans richtete sich in den Steigbügeln auf und blickte auf das Wasser. »Da hinten liegt eine Insel. Für eine Schwimmerin ist sie aber zu weit entfernt, und das Wasser ist sicher eiskalt.«
    »Vielleicht ist sie am Ufer entlanggewatet, um ihre Spur zu vertuschen«, sagte Kunz.
    »Und das Maultier?«, fragte Horn, der beide Arme um Sanne geschlungen hatte.
    »Hat hier gehalten«, antwortete der Dachs. »Die Reiterin ist dann

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