Der Eiserne König
nach Westen abgebogen.«
»Die Raben sind nördöstlich des Sees gelandet«, sagte Sanne. »Dort scheinen unsere Feinde zu sein.«
»Das Mädchen
muss
sich hier verbergen«, sagte Hans ratlos. »Warum zeigt sie sich nicht? Wir wollen ihr ja nichts Böses.«
»Wie kann sie das wissen?«, erwiderte Hardt. »Sie fühlt sich von allen verfolgt.«
Ein Windstoß durchfuhr die Bäume, ließ graues Laub durch die Luft segeln und flüsterte im Schilf.
»Tja«, murmelte Meister Grimbart. »Die Raben haben alles ausgespäht. Wenn die Dämonen am Nordostufer sind, haben sie dort wahrscheinlich eine Spur entdeckt.«
»Gut«, seufzte Hans, denn das Gefecht im Auwald steckte ihm noch in den Knochen. »Reiten wir also hin.«
Die Gefährten trabten los. Fuchs und Dachs eilten ihnen als Kundschafter voraus.
Grimm und die sieben Jünglinge hielten Rat. Die Pferde, die sie an Kopfweiden gebunden hatten, bissen auf den Trensen und stampften mit den Hufen.
»Wir haben rings um den See jeden Winkel abgesucht«, sagte einer der Jünglinge. »Aber diese Hexe ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»Was ist mit der Insel?«, knurrte Grimm.
»Sie kann nicht geschwommen sein, denn das Wasser ist zu kalt, und es gibt kein Boot«, sagte ein anderer Jüngling. »Sie kann nicht auf der Insel sein.«
»Seht nach!«, befahl Grimm. »Aber schnell, denn ich denke, wir bekommen bald Gesellschaft.«
Die Jünglinge schlossen die Augen und breiteten die Arme aus. Auf ihren Gliedern sprossen Federn, die Nasen formten sich zu Schnäbeln, und dann saßen sieben Raben auf den Sätteln der Schimmel. Sie erhoben sich und flogen eilig über den Dunkelpfuhl.
Grimm ließ den Blick über die Ufer schweifen. In der Ferne sah er einen Reiter zwischen den Bäumen. »Da sind ja diese Narren«, murmelte er. »Ihr Zauberhut wird ihnen dieses Mal nicht helfen …«
Im Norden wurde der Himmel immer finsterer. Am Horizont tanzten Blitze zwischen Regenschleiern. Wolken wogten auf den Dunkelpfuhl zu. Als Donner grollte, liefen Schwäne mit dumpf knallenden Flügelschlägen über das Wasser und hoben ab. Enten flohen in das Schilf, und Gänse ergriffen trötend die Flucht.
Die Raben kehrten zurück und ließen sich auf ihren Sätteln nieder. Im nächsten Moment verzerrten sich ihre Körper; sie quollen auf, als wollten sie platzen. Die Federn verschwanden im Fleisch, die Schnäbel bildeten sich zurück, menschliche Gliedmaßen drängten in Flügel und Vogelbeine. Die Körper wuchsen und zuckten, bis sie wieder die Gestalt der blonden Jünglinge angenommen hatten.
»Und?«, fragte Grimm.
»Nichts«, antwortete ein Jüngling, den Helm unter dem Arm und eine Hand auf der Streitaxt. »Keine Menschenseele.«
»Nicht einmal eine Maus«, sagte ein anderer Jüngling.
»Nur eine Stricknadel, die unter der Wetterfichte lag«, sagte ein dritter. »Sie ist wohl bei Hochwasser angespült worden.«
Grimm horchte auf. Plötzlich hatte er das Mädchen an dem Tag vor Augen, als seine Männer in ihrem Feuer verbrannt waren, und er sah ihren Beutel vor sich – Strickzeug und Wollhemden. »Das ist sie!«, stieß er hervor und schüttelte den Kopf, um die Bilder loszuwerden.
Die sieben Jünglinge starrten ihn an.
»Ihr habt sie übersehen!«, brüllte Grimm. »Sie verbirgt sich auf der Insel!«
Erste Regentropfen klatschten durch das Laub. Der Donner grollte lauter.
»Aber wie kann sie dorthin gelangt sein?«, fragte einer der Jünglinge.
»Sie ist mit den Vögeln im Bunde«, erwiderte Grimm zornig. »Vielleicht hat sie einer hinübergetragen.«
Ein Kaltblüter wieherte in der Nähe. Die acht Männer fuhren herum. Blitze zuckten. Der Wind riss Laub von den Bäumen, wirbelte es über den aufgewühlten Dunkelpfuhl. Der Himmel wurde noch finsterer.
»Wir müssen zur Insel!« Grimm knirschte mit den Zähnen.
»Aber wie?«, fragte ein Jüngling.
»Fliegt hinüber«, befahl Grimm. »Erwürgt, erschlagt oder steinigt sie, aber bringt sie um.«
»Sollen wir sie nicht martern, bis ihre Schreie zum Himmel gellen?«, fragte ein anderer Jüngling.
»Dazu bleibt keine Zeit mehr!«, brüllte Grimm in das Heulen des Windes. »Fliegt! Ich halte diese Trottel auf.« Er zog eine Streitaxt aus dem Sattelschaft und zückte das eisig glitzernde Schwert.
Die sieben Jünglinge verwandelten sich wieder in Raben. Sie flogen los und kämpften gegen den Nordwind an, der sie vom Kurs abzudrängen drohte. Grimm sah ihnen kurz nach, dann sprang er ins Unterholz.
Eine Lawine aus Wasser
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