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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Anblick des Reiters hellten sich ihre Mienen auf, denn sie witterten eine Gelegenheit, um ihr Selbstvertrauen wiederherzustellen.
    »Seht euch die Fratze an«, rief einer und zeigte auf Grimm. »Noch so ein Heidegeist!«
    Gelächter erschallte. Grimm ritt ungerührt auf die Burschen zu.
    »Seine Augen sind rot wie Ochsenblut«, höhnte ein anderer. »Der hat bestimmt eine Woche durchgesoffen.«
    Grimm erwiderte weder etwas, noch hielt er an.
    Das ermutigte die Jungmänner. Der Hüne, dessen Veilchen noch nicht verblasst war, rief: »He, du Schwuchtel! Hast du den Kopf in den Ofen gesteckt, weil dir zu kalt war?«
    Die Burschen bogen sich vor Lachen. Grimm ließ sein Schwert waagerecht durch die Luft sausen. Zwei Köpfe, der des Anführers und der eines weiteren Burschen, plumpsten in den Matsch unter der Linde; die toten Augen waren aufgerissen, die Münder breit vom Lachen, das den übrigen Jungmännern im Halse steckenblieb. Sie starrten die schlaffen Körper an, aus denen Blut sprudelte, und ergriffen die Flucht.
    Grimm trabte in das menschenleere Dorf. »Grünschnäbel«, murmelte er. »Das wird sie lehren, mich zu verspotten. Kopf in den Ofen gesteckt … Hah!« Vor der Schmiede stieg er ab. Er trat ein und wischte die Schwertklinge mit einem Lappen ab. Die Esse war kalt; hier hatte schon lange niemand mehr gearbeitet, und ein Helm war nirgendwo zu sehen.
    »Bauern«, zischte Grimm, als er den Rappen am Zügel zur Schenke führte. Er war immer noch wütend, knirschte mit den Zähnen und ballte die Faust.
    Dem Wirt, der ihn kommen sah, schwante Böses. Erst dieser Kerl, der sich selbst entzweigerissen und dadurch die Gäste verprellt hatte, und nun dieser Recke mit einem Gesicht, das aussah, als wäre er sternhagelvoll in einen Kamin gestolpert. Aber er hütete seine Zunge. Er begrüßte seinen Gast mit ausgesuchter Höflichkeit und raspelte soviel Süßholz, dass es für die längste aller Sauregurkenzeiten gereicht hätte. Grimm warf ihm den Zügel zu, forderte barsch Wasser und Hafer für den Rappen und ein Mahl für sich selbst. Der Wirt beteuerte, er werde für alles Sorge tragen, und führte das Pferd in den Stall.
    Sporengeklirr hallte durch die Schankstube, als Grimm zum Kamin ging. Er hängte den nassen Mantel zum Trocknen auf, setzte sich dicht vor das Feuer und ließ die Stiefelhacken im nervösen Rhythmus auf die Dielen klacken.
    Endlich brachte der Wirt ein Tablett mit dampfendem Essen. Als er Grimm die Teller hinstellte, sagte er: »Wie ich gerade höre, hat jemand den Sohn unseres Schmieds und den Neffen unseres Dorfältesten …« – er räusperte sich einen Frosch aus dem Hals – »… einen Kopf kürzer gemacht. Sie wissen nicht zufällig, wer das getan haben könnte?«
    »Oh, doch. Ganz zufällig«, erwiderte Grimm. »Mein Schwert war der Täter.« Er zog mit sirrendem Geräusch blank.
    Der Wirt starrte die Klinge an. »Aha«, stammelte er. »Das … erklärt … alles. Danke. Wünsche guten Appetit.« Er wich mit vielen Bücklingen rückwärts durch die Schankstube zurück.
    Bevor er zur Tür hinaus war, brüllte Grimm: »Ist das hier die Hüfte des Müllersohns?« Er zeigte auf den Fleischbatzen, der zwischen Stampfkartoffeln und Kraut auf seinem Teller lag.
    Die Tür zur Küche knallte zu.
    Grimm aß und trank nach Herzenslust. Schließlich rülpste er, stöhnte zufrieden und schüttelte die Stiefel von den Füßen. Das Mahl hatte ihn müde gemacht, und seine Wut hatte sich gelegt. »Mein Helm«, murmelte er. »Wo ist mein Helm?« Er sah sich in der Schankstube um, aber der Raum war dunkel und leer, die Stühle standen umgedreht auf den Tischen. In den Bierdunst mischte sich ein Hauch von Menschenblut. Grimm, der nicht ahnen konnte, dass es das Blut von Kunz war, war verblüfft: Was verbarg sich hinter der biederen Fassade des Wirts? Aber nun ja – der Mensch konnte nicht immer anständig sein. Manchmal gingen die Triebe durch wie ein von einer Bremse gestochenes Pferd, das sonst brav gehorchte. Er selbst hatte sich nie gezügelt und sich trotzdem an seine Leitlinien gehalten. Zucht und Lust waren vereinbar, nur dass dabei ab und zu Köpfe rollten.
    Er dämmerte gerade ein, als im Kamin ein Sausen erklang. Das Feuer flackerte, Glut und Asche wirbelten in die Schankstube. Grimm schrak auf. Ein Nebelschweif glitt durch den Rauchabzug in die Schenke, hing in der Luft und verwandelte sich dann in die Dame in Weiß. Grimm rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her – er hatte versagt

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