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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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gut«, sagte Grimm. »Ich verschwinde.« Er sattelte den Rappen im Stall und saß auf. Die Dame in Weiß hatte ihm einen neuen Auftag erteilt. Sein Ziel war der Greting. Dort würden wahre Kämpfer zu ihm stoßen, keine Feiglinge, die in Rabengestalt flohen, weil sie Angst vor dem Tod hatten. Um den gegnerischen Suchtrupp wollte sich die Dame selbst kümmern, und wenn sie hasste, wie sie liebte, würden die Gebeine seiner Feinde bald auf der Hohen Heide bleichen.
    Als er aus dem Dorf preschte, sahen ihm die unter der Linde liegenden Köpfe aus trüben Augen nach.
     
    Am zweiten Morgen nach dem Unwetter, Grimm ritt längst über die Hohe Heide nach Westen, saßen die Gefährten an ihrem Feuer am Dunkelpfuhl und brüteten über der Karte auf dem Rücken des Mädchens.
    Das Mädchen, sie hieß Maleen, erzählte von ihrer Kerkerhaft in der Grenzfeste Rottland.
    »Blaubart, der berüchtigte Frauenhasser, hatte mich entführt«, erzählte sie. »In der Feste gab es viele andere Gefangene. Ich habe ihre Schreie gehört. Schreckliche Schreie. Eines Nachts brachte man mich in die Folterkammer, brannte mir die Karte auf den Rücken und ließ mich frei. Die Männer, die das getan haben, waren sicher heimliche Feinde Blaubarts. Sie haben sich wie Verschwörer verhalten.«
    »Seltsam«, brummte der fiebernde Horn, der gut zugedeckt an einem Sattel lehnte. »Ist Blaubart mit unseren Feinden im Bunde? Und warum haben diese Verschwörer ausgerechnet dich ausgewählt?«
    »Wenn ich das wüsste«, murmelte Maleen. »Ich hatte wohl einfach Glück im Unglück.«
    »Wusstest du, was auf deinem Rücken war?«, fragte Hans.
    »Nein«, erwiderte sie. »Anfangs nicht.«
    »Du hast viel gelitten«, sagte Sneewitt.
    »Meine Vögel haben mich getröstet.« Maleen streichelte den Zeisig, der auf ihrer Schulter saß.
    Der Fuchs schluchzte ergriffen.
    »Schön und gut«, knurrte Meister Grimbart. »Aber wie sollen wir diese Karte deuten? Angeblich weist sie uns den Weg zur Esche, aber ich steige nicht durch.«
    Die Gefährten starrten wieder Maleens Rücken an. Die in die Haut gebrannten Linien verwoben sich zu einem Muster, das wie ein Ornament wirkte. Ein System war nicht erkennbar.
    »Eine Karte sieht anders aus«, sagte Kunz frustriert.
    »Ja«, fügte Hardt hinzu. »Hier sieht man weder Flüsse noch Berge oder Ortschaften. Nur wirre Linien.«
    »Aber es
muss
einen Schlüssel geben«, beharrte Hans.
    Die Muhme blies einen Rauchring aus: »Im Kryptonomicon heißt es: ›Der Weise findet sie an den Ufern der Nacht. Er bringt sie zum Sprechen mit dem strahlendsten Stern‹.«
    »Sehr blumig«, sagte Sneewitt schnippisch.
    »‹Ufer der Nacht‹«, murmelte Hans. »Ob das der Dunkelpfuhl ist?«
    »Der strahlendste Stern ist jedenfalls die Venus«, sagte Hardt.
    »Alles Unfug!«, fluchte Kunz. »Solche Prophezeiungen sind wie Pfeile, die irgendein Wichtigtuer ins Dunkel der Zukunft abschießt. Wenn sie etwas treffen, ist das reines Glück!«
    »Stimmt«, sagte Horn. »Wenn diese Marterspuren tatsächlich den Weg zur Esche weisen, müssen wir uns auf den Verstand verlassen.«
    »Mir ist kalt«, flüsterte Maleen und zog die Schultern hoch.
    »Armes Ding«, sagte der Fuchs.
    »Überleg lieber, anstatt sie zu bedauern«, erwiderte der Dachs verärgert. »Was siehst du in diesem Wirrwarr?«
    »Ich bin weitsichtig«, sagte der Fuchs entschuldigend.
    »Das ist doch eine faule Ausrede.«
    »Nein, nein«, beeilte sich der Fuchs zu erwidern. »Auf diese Entfernung sehe ich die Karte nur verschwommen.« Er starrte den Rücken des Mädchens aus zusammengekniffenen Augen an.
    »Sicher! Und wenn sie hundert Ellen weit weg ist, siehst du gar nichts mehr, du Held«, höhnte der Dachs.
    Der Fuchs schwieg. Er blinzelte, reckte den Hals und neigte den Kopf zur Seite, ohne den Blick von Maleens Rücken zu lösen.
    »Darf ich mich wieder anziehen?«, fragte sie.
    »Warte«, murmelte der Fuchs. »Einen Moment noch … Ich sehe da etwas …«
    »Pah«, brummte der Dachs.
    »Die Punkte!«, rief der Fuchs.
    »Welche Punkte?«, fragte Hans.
    »Na, die Punkte. Die Tupfen. Die …« Der Fuchs verhaspelte sich in seiner Aufregung. »Ihr seht nur die Linien, aber man muss sie mit diesen … Flecken in Verbindung setzen.«
    »Meinst du die Sommersprossen?«, fragte Sanne.
    »Ja, ja, ja!«, keckerte der Fuchs.
    Hans verengte die Augen und konzentrierte sich auf die Punkte. Reineke Fuchs hatte recht: Die Linien waren auf die Sommersprossen hin geordnet. Auf dem linken

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