Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
Vom Netzwerk:
Bund der Stiefmuttergeschädigten«, seufzte Sneewitt.
    »Ja, mein Vater hat nach dem Tod meiner Mutter bald wieder geheiratet«, sagte das Mädchen. »Drei Jahre später starb auch er. Meine Stiefmutter, die in der Schwarzen Kunst bewandert war, hat meine Brüder in blonde Jünglinge verwandelt, denn sie sollten schön und grausam sein. Nur die Rabengestalt, die sie nach Belieben annehmen konnten, erinnerte noch an ihre frühere Hässlichkeit.«
    Hans legte Holz nach. Funken stoben. »Und das grasgrüne Feuer?«, fragte er. »Deine Heilkräfte? Was ist damit?«
    »Meine Stiefmutter und meine Brüder taten mir Herzeleid an, wo sie nur konnten«, erwiderte das Mädchen. »Ich wurde wie eine Hündin an die Kette gelegt, schlief in der Asche hinter dem Ofen und musste die niedersten Arbeiten verrichten. Ich habe auch die Stube meiner Stiefmutter geputzt. Dabei habe ich heimlich ihr Zauberbuch studiert. Hätte sie mich ertappt, dann hätte sie mir bei lebendigem Leib die Haut abgezogen.«
    »Das war gewiss das Kryptonomicon«, warf die Muhme ein und paffte aufgeregt.
    Das Mädchen starrte sie an. Dann fuhr sie fort: »Aber nun ist mein Gelübde erfüllt. Ich habe mein Schweigen gebrochen. Dadurch habe ich meine Heilkräfte verloren.«
    »Wie befreiend, wenn man diesen Hokuspokus los ist!«, rief Kunz. »Ich kenne das und habe meine Gaben nie vermisst.«
    »Ja«, sagte das Mädchen. »Aber ich kann noch die Kraft der Erde anzapfen – das war das grasgrüne Feuer.« Sie schwieg kurz. »Der Eisenhans hat meine Brüder gezeugt«, flüsterte sie dann, »sie waren kleinwüchsig, klumpfüßig, bucklig …«
    »Igittigitt!«, knurrte der Fuchs und bleckte die Zähne.
    Das Mädchen sah ihn traurig an. »Sie waren trotzdem meine Brüder«, flüsterte sie und wischte sich Tränen aus den Augen. »Nun liegen sie auf dem Grund des Dunkelpfuhls.«
    Sanne weinte mitfühlend ein paar Perlen.
    »Andererseits …« – das Mädchen holte Luft – »… wussten sie, was ich vorhatte, und haben mich all die Jahre verfolgt, um mich zu töten.«
    »Kennst du ihren … Anführer?«, fragte Hans.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, sie haben sich bei ihm verdungen, denn sie wollten mich ja sowieso töten. Ich weiß nicht, welche Ziele er außerdem verfolgt hat.«
    Lange sprach niemand ein Wort. Das Holz knackte im Feuer, in der Ferne rief ein Käuzchen.
    Nach einer Weile räusperte sich Hardt. »Und die … Karte?«, fragte er. »Was ist mit der Karte, die den Weg zur Esche weist?«
    Das Mädchen zögerte kurz. Schließlich löste sie ihren Gürtel und zog sich das Kleid über die Schultern. Dann drehte sie den Gefährten ihren Rücken zu. Der Feuerschein tanzte über ihre nackte Haut.
    »Dann ist es also wahr«, flüsterte Sanne.
    Gefährten, Muhme, Fuchs und Dachs starrten den schmalen Rücken des Mädchens an, der von oben bis unten mit dem Bild eines labyrinthischen Plans bedeckt war.

11. Die Falle im Föhrenforst
    Grimm ritt durch Nacht und Regen nach Süden. Donner grollte, Blitze rissen den Himmel auf. Der Rappe galoppierte über die Hohe Heide, seine Hufe trommelten einen rasenden Rhythmus, er sprang ohne Sporenstoß über Bäche und Baumstämme. Der Ritt war eine wilde Jagd.
    Während der Morgendämmerung flaute das Unwetter ab, und Grimm zügelte sein Ross in einem Wäldchen an der Fusel. Er kochte vor Zorn: Die sieben Jünglinge waren von der Fahne gegangen; die Hexe war sicher noch am Leben; er hatte beim Kampf den Helm verloren und bot aller Welt sein entstelltes Gesicht dar. Er hatte versagt, und er fragte sich, was die Dame, die ihn wiedererweckt hatte, dazu sagen würde.
    Da kam ein Wolf aus dem Gebüsch und knurrte böse. Grimm erwachte aus der Grübelei, gab dem Rappen die Sporen und zog sein eisig glitzerndes Schwert. Der Wolf hetzte los, um dem Reiter an die Gurgel zu gehen, aber Grimm erschlug ihn mitten im Sprung. »Sehe ich aus, als wollte ich meine Großmutter besuchen?«, brüllte er, stieß das blutige Schwert in die Scheide und ritt wutentbrannt weiter.
    Bald darauf kam ein Dorf in Sicht, das nahe der Fusel auf einem Hügel lag. Hähne krähten, und Schornsteinrauch verlor sich im Morgengrau. Grimm beschloss zu rasten, denn nach dem Gewaltritt hatte der Rappe Schaum vor dem Maul und dampfte vor Schweiß.
    Schweine suhlten sich auf dem matschigen Weg. Unter einer Linde am Dorfeingang, von der es immer noch tropfte, saßen zehn Burschen. Sie wirkten müde, verängstigt und mürrisch, aber beim

Weitere Kostenlose Bücher