Der Eiserne König
und fürchtete ihre Strafe, schämte sich aber zugleich für seine Furcht, denn es war unwürdig, vor einem Weib zu zittern.
Doch die Dame schalt nicht mit ihm. Sie legte eine Hand auf den Knauf des Schwertes, das zwischen seinen Beinen stand, und sprach: »Sei unbesorgt. Du hast nicht den Krieg, sondern nur eine Schlacht verloren. Du wirst neue Männer bekommen und der Sache des Eisernen Königs weiter treu dienen.« Sie betrachtete ihn und fügte dann hinzu: »Du hast trotz allem eine Belohnung verdient, mein Galan. Komm zu mir.«
Der Wirt rannte kopflos durch die Küche. »Dieser Mann ist ein Mörder!«, schrie er.
Die alte Magd, die den Fußboden schrubbte, sah zu ihm auf und erwiderte: »Dann muss er eingesperrt werden.«
»Ja«, rief der Wirt und zerwühlte sein fettiges Haar. »Aber wie? Sein Blut ist so kalt, wie sein Schwert eisig glänzt. Er hat zwei Burschen, die in der Blüte ihrer Jugend standen, mit einem Hieb enthauptet. Der Mann hat Nerven aus Stahl.« Er blieb wie angewurzelt stehen: In der Schankstube gellten Schreie; jemand stöhnte wie ein waidwundes Raubtier. »Der Unhold zerstückelt eine Frau«, hauchte er totenbleich. »Und das mit Vergnügen!«
»Ist es die schöne Müllerstochter?«, fragte die Magd, die den Lappen über dem Wischeimer auswrang.
Der Wirt glotzte sie entsetzt an. »Hör doch«, sagte er. »Sie schreit vor Qualen. Er wollte die Hüfte ihres Bruders essen, gesotten und gebraten. Ich rufe alle zusammen. Wir werden den Mann von Ackergäulen vierteilen lassen.« Er griff nach seiner Mütze und eilte mit wehender Schürze und wabbelnder Wampe aus dem Haus.
Die alte Magd hielt beim Auswringen inne und lauschte. »Da wird niemand zerstückelt«, dachte sie. »Oh, nein – da sprengt jemand die Haartruhe …« Und sie schrubbte seufzend weiter, in Erinnerungen an ihre Jugend versunken.
Die Dame in Weiß war wieder als Nebelstreif durch den Rauchabzug verschwunden. Grimm lag schnaufend auf den speckigen Dielen. Er rappelte sich auf. Als er die Rüstung anlegen wollte, sah er einen nagelneuen Helm, der neben seinem Schwert auf dem Stuhl lag. Er knirschte beglückt mit den Zähnen, setzte den Helm auf und schritt mit klirrenden Sporen zur Tür. Bevor er die Schenke verließ, roch er noch einmal. »Seltsam, dieser Blutgeruch«, murmelte er. Dann trat er ins Freie.
Draußen war es herrlich frisch. Zwischen grauen Wolken zeigte sich die Mittagssonne. Grimm atmete tief durch, reckte und streckte sich. »Was für ein Weib!«, rief er zwei Tauben zu, die auf einem Dachfirst gurrten.
Aber als er den Blick senkte, stutzte er. Auf der Dorfstraße vor ihm standen drei Dutzend Männer und Burschen. Sensen, Sicheln, Hacken, Äxte, Spaten und Knüppel ragten auf, und zwischen den Stielen lugten ängstliche Augenpaare hervor.
»Das ist der Halunke!«, kreischte der mit einem Hackebeil fuchtelnde Wirt. »Er hat die Müllerstochter zerstückelt und dann gut durchgebraten verspeist!«
Ein Jungmann, der in die schöne Müllerstocher verliebt war, stöhnte verzweifelt auf.
Der ganz hinten stehende Müller schwenkte einen Arm und rief: »Aber meine Tochter ist …«
»Er hat ihren Bruder und den Neffen unseres Dorfältesten mit einem Streich enthauptet!«, übertönte ihn der Wirt. »Dafür soll er büßen!« Er tat einen Schritt auf Grimm zu.
Der zog gemächlich sein Schwert, stützte sich mit einer Hand auf die Parierstange und deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Ein paar Reste sind noch übrig«, sagte er. »Bedient euch. So zartes Fleisch esst ihr sicher selten.«
»Er hat gestanden!«, schrie der Wirt. »Auf ihn mit Gebrüll!« Er stürmte los, berauscht von seiner Rolle als Anführer und in riskanter Selbstüberschätzung, aber sein Angriff wurde jäh gebremst. Er ächzte, taumelte und senkte den Blick auf seine Wampe, in der Grimms Schwert steckte.
»Upps«, sagte Grimm. »Wie konnte das passieren? Ich bin untröstlich.« Er drehte die Waffe in der Wunde um. Der Wirt schrie gellend auf. Grimm zog die Klinge heraus, wischte sie an der Schürze des Mannes ab und gab ihm einen Tritt. Der Wirt fiel leblos hin, sein Blut floss in den Staub.
»Noch jemand, der aus Versehen in mein Schwert rennen möchte?«, rief er den anderen Dorfleuten zu.
Männer und Burschen wichen zurück. Dann stoben sie in alle Richtungen davon. Im Dorf wurden Fensterläden zugeknallt und Türen verrammelt. Vor Grimm stand nur noch ein Hahn, der den Kopf reckte und lautstark krähte.
»Schon
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