Der Eiserne König
sinnvoll.« Er sah der Mücke zu, die sich sattsaugte und dann zu ihm aufsah.
»Dein Blut schmeckt gesund«, surrte sie. »Besten Dank.« Sie rülpste leise, dann flog sie davon.
Am Nachmittag erreichten sie den Föhrenforst. Nachdem sie hineingeritten waren, verstummten die Gespräche. Hardt strich immer wieder nervös über sein Haar.
»Brauchst du Kamm und Gänseschmalz zum Glätten deiner Frisur?«, spottete Sneewitt, die ihren Bogen bereithielt.
Die Muhme, die hinter Maleen ritt, fragte: »Wo sind Sperling und Zeisig, Mädchen?«
»Dieser Forst ist das Revier der Eulen«, antwortete Maleen. »Meine Vögel fürchten sich vor ihnen.«
»Sie spricht mit ihren Vögeln, ohne von der weißen Schlange gegessen zu haben«, raunte Reineke Fuchs.
»Wenn sie die grüne Kraft anzapfen kann«, sagte der Dachs, »kann sie auch die Tiere verstehen. Ist doch klar.«
»Oh, ja. Klar wie Kloßbrühe«, erwiderte der Fuchs. »Sie, der die Erde Kraft verlieh, ist zugleich ein Sprachgenie.«
»Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass an dir ein Dichter verlorengegangen ist«, knurrte Meister Grimbart.
Die Dämmerung kroch durch den Forst. »Überall Farnkraut«, sagte Hans. »Bei uns hieß es ›Hüter der Schatten‹.«
»Ja«, fügte Kunz hinzu. »Und Hexenpilze, Nebelkappen und Drudenbeutel sprießen hier auch. Ein Bissen, und man stirbt eines jämmerlichen Todes.«
Der Föhrenforst war licht, aber bedrückend still. Eine panisch surrende Fliege hing im Netz einer Kreuzspinne und wurde langsam eingesponnen. Es duftete nach Harz, und Moos und Nadeln dämpften die Huftritte. Die Gefährten tränkten ihre Pferde in einer Senke, in der sich Regenwasser gesammelt hatte, schlugen ihr Lager auf und entfachten ein Feuer. Hans, der die erste Wache übernommen hatte, starrte in das Dunkel zwischen den Stämmen. Die Pferde schnaubten unruhig. Tief in der Nacht riefen Eulen. Hans erschrak jedes Mal, wenn eine lautlos über das Lager segelte. Nach der Ablösung durch Kunz fiel er in einen traumlosen Schlaf.
Frühmorgens ritten die Gefährten weiter. Sie orientierten sich an der Sonne, die sich hin und wieder zwischen den Wipfeln zeigte, aber gegen Mittag kam Nebel auf, und sie konnten kaum noch sehen, wohin die Pferde traten.
»Seltsam.« Kunz, der den Zweihänder gezückt hatte, sah sich beunruhigt um. »Woher kommt der Nebel? So feucht ist es doch gar nicht.«
»Gibt es hier einen Fluss?«, fragte Sanne. Auch ihr Blick flog besorgt hin und her. Mit einer Hand hielt sie den Zügel, die andere lag auf den Sicheln.
»Nein, hier gibt es keinen Fluss«, sagte Hans.
Nach einer Weile war der Nebel so dicht, dass die Gefährten nur noch Schemen waren.
»Aufschließen!«, rief Hans. »Wir dürfen uns nicht aus den Augen verlieren.«
Sneewitt ritt ganz hinten. Vor ihr trabte der Schimmel mit der Trage, die über Wurzeln holperte, aber Horn erwachte nicht.
Die Muhme starrte stumm geradeaus, die Pfeife zwischen den Zähnen.
Da kehrten Dachs und Fuchs zurück.
»Eine Hecke versperrt uns den Weg!«, rief Meister Grimbart. »Sie scheint einen Kreis zu bilden.«
»Dann weichen wir eben aus«, sagte Hans.
»Das ist nicht nur Gestrüpp«, erwiderte der Fuchs. »Der Kreis muss riesengroß sein.«
Hans drehte sich fragend zu Hardt um, der mit den Schultern zuckte. »Na, dann«, sagte er und schnalzte mit der Zunge. Sein Kaltblüter trabte gleichmütig weiter.
Bald darauf standen sie vor der Hecke. Sie war dornig und dicht und übermannshoch und verlor sich auf beiden Seiten im Nebel. Der Hag, der die Feste der Gografen umgab, sah sicher ähnlich aus. Die Gefährten waren ratlos.
»Wir haben zwei Möglichkeiten«, sagte Kunz. »Entweder wir umreiten die Hecke oder wir hacken uns durch.« Er ließ den Daumen über die Schneide des Zweihänders gleiten.
»Wie sollen wir die Hecke umreiten, wenn uns der Nebel jede Orientierung raubt?«, fragte Hans. »Woher sollen wir wissen, wo die gegenüberliegende Seite ist?«
»Stimmt. Vielleicht haben wir uns längst verirrt«, fügte Hardt hinzu.
»Dann sollten wir besser warten, bis sich der Nebel lichtet«, sagte Sanne.
»Und wann lichtet er sich?«, murrte der Dachs.
»Ich glaube nicht, dass wir weit vom Weg abgekommen sind«, sagte der Fuchs. »Wir sollten uns durchhacken. Das wäre das Einfachste.«
Kunz sah ihm tief in die Augen. »Ach, meinst du?«, fragte er und hielt ihm den Zweihänder hin. »Dann leg los, Reineke.«
»Der Fuchs hat recht!«, rief Sneewitt. »Durchhacken,
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