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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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ein Job«, schimpfte Reineke Fuchs. »Diese Jungfer stinkt nach Brutalität, Blut und Tod. Wenn ich da an Maleens Duft denke …«
    Die Spur führte zunächst in südwestlicher Richtung bergab. Da man hier viele Bäume zur Verkohlung gefällt hatte, war es recht hell. Aber je tiefer die Gefährten vordrangen, desto finsterer wurde der Wald. Eichen mit ausladenden Wurzeln und Ästen standen so dicht beieinander, wie es ihr Wachstum erlaubte; sogar ein Ritter, hoch zu Ross und in strahlender Rüstung, wäre zwischen ihnen zu einem Schemen verblasst. Dazwischen rangen kleinere Bäume und Büsche um Licht und Nahrung, und überall ragten hohe Felsen auf. Das Farnkraut gedieh üppig, begann sich aber schon herbstlich zu verfärben. Die Fährten verliefen anfangs neben einem Bach, dann bogen sie unvermittelt nach Nordwesten ab. Vor einem Felsen hatten sich Jungfer und Knechte nach Nordosten gewandt, nur um wenige hundert Schritte weiter nach Westen abzudrehen. Es ging auf Mittag, und Horn und Sanne zeigten Anzeichen von Erschöpfung.
    »Weiter!«, rief Meister Grimbart. »Die Fährten sind frisch.«
    »Sie schlagen Haken wie die Hasen«, sagte Hardt. »Ob wir das Lager der Köhler je wiederfinden?«
    Der Dachs drehte sich nach ihm um und tippte mit einer Pfote gegen seine schwarz-weiße Schnauze.
    Die Spuren führten wieder bergauf. Nach einer Weile kam eine mit Holzschindeln gedeckte Hütte in Sicht, die sich an eine steile Felswand schmiegte. Die Gefährten gingen hinter Bäumen in Deckung, und Reineke Fuchs wurde losgeschickt, um die Lage zu erkunden.
    »Immer diese Himmelfahrtskommandos«, murrte er, während er sich anpirschte. Aber er witterte niemanden und keckerte eine Entwarnung. Die sechs Gefährten und Meister Grimbart eilten zu ihm. Kunz trat die Tür auf, sprang mit gezücktem Zweihänder in die Hütte und wirbelte einmal blitzschnell um die eigene Achse. »Keine Menschenseele«, rief er.
    Sanne steckte den Kopf zur Tür hinein und betrachtete die Holzkohlebecken, das Bett und den weißen Samt, mit dem die Wände bespannt waren. »Lauschig«, murmelte sie. »Sieht aus wie ein Liebesnest.«
    »Grimm war hier«, sagte der Dachs, der die Schnauze reckte. »Und eine Frau. Sie riecht …« – er schnüffelte – »… finster und feurig.«
    »Oho«, sagte Hardt. »Brisante Mischung. Klingt fast nach unserer guten Sneewitt.«
    Sneewitt, gerade damit beschäftigt, ihren Bogen zu spannen, bekam diese Worte zum Glück nicht mit.
    »Angeblich gab es ein Geschwisterpaar«, erzählte Horn, »das hier im Greting in wilder Ehe gelebt hat. Die beiden hatten sogar Kinder miteinander – debile, schielende Bälger mit zwei Köpfen und drei Beinen, die in der Wiege am eigenen Sabber erstickt sind.«
    »Teuflisch …«, murmelte Hardt.
    »Pah«, sagte Sneewitt. »Das ist kein Einzelfall. Ich kenne zig Geschichten über heimliche Geschwisterliebe. Alle haben in irgendeinem Wald in irgendeiner Hütte gehaust.« Sie zupfte an der Sehne, um zu hören, ob sie straff genug war. »Alle wurden irgendwann in irgendetwas verwandelt und dann von irgendeinem Prinzen abgeschleppt.«
    »Wie schrecklich«, wisperte Sanne und weinte eine Perle.
    »Wir müssen weiter«, drängte der Dachs.
    Kunz verließ die Hütte und schloss die Tür. »Was hat dieser Grimm in einem Liebesnest getrieben?«, fragte er.
    »Na, was wohl?«, spöttelte Sneewitt.
    »Ho, ho!«, lachte Horn.
    Die Fährten führten längs der Felswand bergauf. Schließlich bogen sie nach links ab. Hans blieb stehen und lugte um die Ecke in eine Schlucht, hoch und steil und so schmal, dass sie nur einem zwei Ellen breiten Bach Platz bot, der am Eingang gluckernd über Felsen floss; in seinem Wasser wölkte noch der aufgewühlte Schlamm des Grundes.
    »Sie sind durch diesen Bach in die Schlucht gewatet«, sagte Hans.
    Kunz huschte geduckt an ihm vorbei, drückte sich auf der anderen Seite des Schluchteingangs gegen die Felswand und spähte auch um die Ecke. »Heikle Sache«, flüsterte er. »Wir müssten im Gänsemarsch durch. Deckung gibt es nicht.«
    »Haben wir eine Wahl?«, fragte Hardt.
    »Leider nicht«, murmelte Sanne.
    Der Dachs tapste in den Bach. Zwei Steinwürfe weiter wand sich die Schlucht nach rechts. Krüppelbäume wurzelten in den Wänden, und Eichenäste ragten oben über den Rand. »Ich habe das Gefühl«, sagte er, »dass wir bald am Ziel sind.« Er sah den Fuchs an, der die Augen verdrehte, weil er wusste, was kam. »Reineke und ich gehen voran. Wir können

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