Der Eiserne König
Auftrag des Rates zwangsrekrutiert, und dann hat er mich genötigt, ihn zu begleiten.« Er seufzte. »Ich wäre viel lieber zu Hause.«
»Ich habe kein Zuhause«, sagte Maleen leise und rieb ihre Schultern, als wäre ihr trotz des Feuers kalt.
»Nicht einmal einen Bau?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nicht einmal ein Mauseloch?«
»Nein. Nicht einmal ein Holzwurmloch.« Sie musste lachen.
»Heirate einen Köhler«, riet ihr der Fuchs, »dann hast du wenigstens eine Kothe.«
»Männer mit Bart mag ich nicht.«
»Dann füll ihn mit Schnaps ab und rasier ihn im Schlaf.«
Maleen kicherte. »Gute Idee. Und ich stricke ihm aus seinen Haaren einen Schal.«
»Irgendwann wirst du ein Zuhause haben«, sagte der Fuchs.
»Vielleicht«, flüsterte Maleen. »Aber ich ahne, dass noch eine Bestimmung auf mich wartet.«
»Oh, ja: Viele Junge zu werfen.«
Sie sah erst aus, als wollte sie lachen, dann wurde sie ernst. »Nein«, sagte sie, »es wird etwas Einsames sein.«
Im Osten schälten sich die Gipfel des Gretings aus dem Morgengrauen. Die Köhler kümmerten sich um die Meiler. Erste Vögel begannen zu singen, und dann landeten Zeisig und Sperling auf Maleens Schultern und zwitscherten ihr etwas in die Ohren.
Sie sah den Fuchs erschrocken an. »Meine Vögel sagen, dass Gefahr droht«, hauchte sie.
Der Fuchs hörte schlagartig auf, sich zu putzen. »Und alle sind blau«, rief er aus. »Das ist ja großartig!« Er ließ Maleen am Feuer sitzen und eilte von einem Gefährten zum anderen. Doch ob Hans, Hardt, Kunz oder Sneewitt – sie schliefen wie Steine und dunsteten Kartoffelschnaps aus. Er weckte Horn, der ächzend auf die Beine kam; er riss Sanne aus dem Schlaf, die benommen nörgelte, weil sie gerade den schönsten Traum ihres Lebens gehabt haben wollte; und er informierte die Muhme, die ihn aus klitzekleinen Augen ansah und sagte, er solle die Köhler warnen.
»Unmöglich«, keckerte der Fuchs. »Sie haben nicht von der Weißen Schlange gegessen. Sie verstehen mich nicht.«
Die Muhme stemmte sich auf dem Reisiglager hoch und warf die Felldecke ab. Graue Haare hingen vor ihrem Gesicht, das noch runzeliger als sonst war. Sie tastete stöhnend nach Haube und Schuhen. »Was tue ich hier?«, murrte sie. »Ich könnte jetzt in meiner Kate sitzen, umringt von schnurrenden Kätzchen, ein Pfeifchen rauchen, ein Holunderschnäpschen trinken …«
»So früh am Morgen?«, fragte der Fuchs. »Komm lieber aus deinem Bettchen und sag den Köhlerchen Bescheid.«
Sie schwenkte einen Arm, als wollte sie Reineke aus ihrem Blickfeld wischen.
Da schlüpfte Maleen zur niedrigen Tür herein. »Horn hat die Köhler alarmiert«, sagte sie. »Ich habe Angst.«
»Dann bleib bei mir«, erwiderte die Muhme und nahm sie in den Arm.
Der Fuchs lief ins Freie. Die Männer hatten zu den Waffen gegriffen. Im Osten hellte sich der Himmel so widerstrebend auf, als wollte er nicht von der Nacht lassen. Oberhalb des Lagers dampfte Nebel aus Gebirgsklüften. Der Dachs, von der Aufregung geweckt, wankte in Schlangenlinien über die Lichtung.
»Die Warnung eines Zeisigs?«, hörte der Fuchs einen Köhler brummeln. »Lächerlich. Ich muss mich um meinen Meiler kümmern.«
Die Wächter spähten in die Dämmerung. Rings um die Lichtung standen mit Beil, Axt oder Speer bewehrte Männer hinter den Eichen. Sanne hatte ihre Sicheln gezückt.
Die Zeit verging. Ein Rehrudel huschte durch den Wald. Das Klopfen eines Spechts erklang. Sonst tat sich nichts, und schließlich rief Harlung, der sich auf eine Doppelaxt stützte: »Falscher Alarm!«
Die Köhler kehrten schimpfend zu ihren Meilern zurück.
Die Gefährten, nun alle wach, saßen verkatert am Feuer. Der Dachs drohte, wieder einzudämmern.
»Wir hätten ausschlafen können«, klagte Kunz. »Aber nein: Da gibt es wegen des Gezwitschers zweier Vögel Rabatz …« Er starrte trübäugig in die Flammen.
Da gellte ein Schrei auf der Lichtung.
Köpfe fuhren herum.
Auf einem Meiler am Südrand der Lichtung stand eine dürre, zerlumpte Gestalt, deren Haare wirr vom Kopf abstanden. Es war die Jungfer. Sie hielt in jeder Hand einen bärtigen Kopf; Blut tropfte aus den Halsstümpfen. »Ha-aaaach!«, kreischte sie, schleuderte die Köpfe über die Kothen in Richtung Feuer, sprang vom Meiler und tauchte im Wald unter, gefolgt von mehreren Männern mit wehenden Umhängen.
Sofort war das ganze Lager in Aufruhr.
»Das sind zwei Wachtposten«, rief Harlung, der entsetzt von den Köpfen zurückwich.
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