Der Eiserne König
Barbera«, fluchte Kunz.
»Ich hoffe, die Tiere holen Hilfe«, sagte Horn.
»Gegen die Karontiden und Kultknechte kommen die Köhler allein nicht an«, erwiderte Hans. »Wir sind verloren.«
Sanne schluchzte auf.
Sie hingen düsteren Gedanken nach. Schließlich nickte Horn ein. Auch Sannes Kopf sank auf die Brust. Kunz brabbelte irgendetwas vor sich hin, Sneewitt saß mit starrer Miene da, und Hans hob den Kopf und sah sich im Kerker um.
»Das erinnert mich an den Felskamin«, flüsterte er.
»Ich kann nicht schlafen«, sagte Hardt. »Ich habe Angst. Und Hunger und Durst. Was würde ich dafür geben, noch einmal vom Tischchen-deck-dich meines Bruders zu kosten …«
Sie verstummten wieder. Draußen fauchten die Karontiden, der Kultknecht lachte auf, Münzen klimperten. Ihre Wärter schienen zu würfeln.
Hans fiel in einen traumlosen Schlaf. Als er nach einer Weile daraus aufschreckte, überwältigte ihn der Kerkermief, und er musste würgen und schlucken und versuchte vergeblich, die ertaubenden Arme auszuschütteln. Als er den Blick wieder senkte, nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung vor der Türklappe wahr. Erst glaubte er, es wäre der Kultknecht, aber draußen war es so still, als würden ihre Wärter in einem genauso tiefen Schlummer liegen wie die Gografen in ihrer Feste. Dann schlüpfte ein kleines Tier durch die Gitterstäbe der Klappe, sprang in den Kerker und hüpfte auf Hans zu.
»Du?«, fragte er erstaunt. »Wolltest du nicht Nüsse für den Winter sammeln?«
Das Eichhörnchen sicherte. Dann sagte es: »Ja, aber was hier geschieht, ist zu schrecklich. Ich mochte euch nicht im Stich lassen.« Es sah Hans aus dunklen Knopfaugen an. »Wie kann ich euch nur helfen?«
Hans war gerührt. Und als das Eichhörnchen seinen Schwanz mit elegantem Schwung um die Hinterbeine schlang, musste er trotz der ausweglosen Situation lachen. »Bleib einfach bei uns«, sagte er. »Wer weiß, wozu du nütze bist.«
Das Eichhörnchen kroch hinter seinen Rücken.
Der Himmel war bedeckt. Ein Wind ließ den aus Tälern und Wäldern aufsteigenden Nebel wie ein Heer von Geistern über dem Greting tanzen.
Die Muhme und Maleen ritten bergab, begleitet von Meister Grimbart und Reineke Fuchs, der immer noch schmollte und seine Gefährten insgeheim zum Teufel oder, besser gesagt, zum Eisenhans wünschte. Zwischen den Eichen roch es frisch und feucht; ein Hauch von Herbst lag in der Luft, und da und dort wuchsen erste Pilze. Gegen Mittag kam das im Schatten liegende, nebelige Himmelstor in Sicht. Die vier Gefährten stiegen zum Welsfluss hinab und begaben sich zum Anleger der Kähne, die die Holzkohle zu den Erzhütten im Lohwald transportierten. Der Fluss schäumte gegen die Ufer, als hätte irgendetwas seinen Zorn erregt, und die Sonne verbarg sich hinter grauen Wolken.
Maleen band ihren Schimmel an einen Pfosten und betrat den Anleger, der weit in den Fluss ragte und wegen des Steilufers auf einer hohen Balkenkonstruktion ruhte. Links und rechts führten Holztreppen zu einem zweiten Steg hinunter, der zum Beladen der Kähne diente. Dort war ein Ruderboot vertäut; sonst war alles verwaist.
Maleen blieb vorne auf dem Anleger stehen und starrte die gegenüberliegenden Klippen an. »Ob unsere Gefährten schon tot sind?«, fragte sie den Fuchs, der ihr gefolgt war.
»Keine Ahnung«, erwiderte er gereizt. »Und? Was ist nun mit dem Schwätzchen mit den Welsen?«
»Nur Geduld«, sagte die zu ihnen tretende Muhme. »Die Welse sind heilige Tiere. Sie werden kommen, sobald sie uns spüren.«
»
Heilige
Tiere?«, brummte der Fuchs. »Dass ich nicht lache.«
Die Muhme stieg auf einer der Treppen zum unteren Steg des Anlegers hinab, ließ sich auf den Rand nieder und stopfte ihre Pfeife. Maleen und Meister Grimbart setzten sich zu ihr, aber der Fuchs rief: »Ich gehe auf die Pirsch. Meinetwegen könnt ihr auf diese Bartelträger warten, bis ihr schwarz werdet.«
Einen Klafter unter den Füßen der beiden Frauen schäumte der Welsfluss. Die Fluten brachen sich an den Felsen, Gischt sprühte, ein Brausen erfüllte die Luft. Nebelschwaden flogen dahin wie von der Strömung mitgerissen.
»Kalt hier«, murmelte Maleen und legte sich eine Decke auf den wunden Rücken. »Ich muss immerfort an Hans und die anderen denken …«
»Ich auch«, brummte der Dachs und starrte auf den tobenden, brüllenden Fluss.
18. Marter
Die Tür wurde aufgerissen und sofort nach dem Eintreten des Kultknechts von Karontiden versperrt.
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