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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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nichts?«
    »Nein. Immer noch nichts«, brummte die Muhme. Der Fuchs hatte seine Mahlzeit offenbar beendet, denn sie hörte, wie er oben lautstark rülpste. Dann konzentrierte sie sich wieder auf den Fluss. Eine entwurzelte Birke trieb auf den Anleger zu, knallte gegen einen Balken, schnellte zurück und wurde von der Strömung weitergerissen. Meister Grimbart schlief, und Maleen zitterte vor Kälte.
    »Na, ihr da unten?«, rief Reineke Fuchs. »Habt ihr schon ein paar Hallelujas mit den heiligen Fischen gewechselt? Oder war der Olm doch nur ein Wichtigtuer?« Er lachte keckernd und fügte hinzu: »Ich suche mir jetzt ein lauschiges Plätzchen für den Verdauungsschlaf. Ruft mich, falls ihr irgendwelche Bartelträger sichtet.«
    Die Muhme brummte mürrisch. Ihre Augen wurden müde, und nach einiger Zeit nahm sie den Fluss so verwischt wahr, als wäre er ein Traumbild in der anbrechenden Dämmerung. Treibholz schoss am Anleger vorbei, nasse, glänzende Äste und Stämme. »Sinnlos«, murmelte die Muhme. »Das ist doch sinnlos. Wir sollten alles abblasen und den Eisernen König einen guten Mann sein lassen.«
    »Nein«, widersprach Maleen mit klappernden Zähnen. »Wir müssen weitermachen.«
    »Ach, Mädchen«, seufzte die Muhme. »Manchmal will ich einfach nur nach Hause.«
    In Nebel und Dämmerung war kaum noch etwas zu erkennen. Der Fluss schien umso lauter zu brausen, je dunkler es wurde. Die Muhme schloss die Augen; die Müdigkeit schwächte ihre Kraft zur Verdrängung, und sie wurde vom Gedanken an das Schicksal von Hans und den anderen geplagt, was das Warten noch quälender werden ließ. »Unsinn, Unsinn«, murmelte sie. »Sinnlos, sinnlos.« Sie verstummte, und ihr Kopf sank auf die Brust. Der Schlaf wollte sie überwältigen.
    »Sinnloser Unsinn ist sinnvoller Sinn«, blubberte jemand mit breitem, verwaschenem Akzent.
    »Lass das Geschwätz, Reineke Fuchs«, murmelte sie. »Oh, ich bin ja so müde …«
    »Dann musst du auf den Grund tauchen und dich ausruhen«, sagte eine zweite Stimme.
    »Über dir braust Gevatter Fluss«, sagte eine dritte Stimme, »aber unten ist es ruhig und still.«
    Die Muhme zwang sich, die Lider zu öffnen, und sah auf den Fluss. Sie konnte nichts erkennen. »Ach …«, seufzte sie und senkte betrübt den Kopf. Da erblickte sie dicht vor dem Steg drei riesige Fische; sie hatten vier Barteln am Unterkiefer und je eine zwischen Maul und Auge.
    »Du hast uns gesucht, alte Frau«, sagte der größte und älteste Wels. »Da sind wir.«
     
    Das Eichhörnchen, das den drei Gefährten gefolgt war, sah entsetzt, wie diese auf Befehl Barberas von Karontiden gemartert wurden. Hans und Sanne hingen blutüberströmt in den Stricken, und Sneewitt, deren Gesicht blau angelaufen war, würgte am Apfel; sie riss trotz ihrer Schmerzen an den Fesseln, versuchte zu strampeln, und stieß fast tierische Laute aus. Die Kultknechte sahen grinsend zu. Eisenhans und die Jungfer, die etwas weiter weg standen, blickten besorgt drein, weil sie befürchteten, dass man die Gefangenen zu sehr malträtierte.
    »Sie bringen sie um«, hörte das Eichhörnchen Eisenhans sagen. »So war das nicht abgemacht.«
    »Uh-huuh«, stöhnte die Jungfer. »Die Schlampe geht zu weit. Ich werde den Jungen erst aufpäppeln müssen, bevor ich ihm die Kehle durchbeißen kann.«
    Als eine Karontide nach den glühenden Eisen griff, ertrug das Eichhörnchen den Anblick nicht mehr und huschte durch das Wurzellabyrinth zurück zum Kerker, in dem Kunz, Hardt und Horn saßen. Die Wärter waren aufgestanden und spitzten die Ohren.
    »Warum dürfen wir nicht dabei sein?«, fragte der Kultknecht.
    Eine Karontide wies grunzend auf die Kerkertür.
    »Die Tür hat sieben Schlösser«, erwiderte der Knecht. »Die Gefangenen liegen in Ketten, und wer sollte sie befreien? Ich will die Marter sehen.« Nach kurzem Schweigen fügte er hinzu: »Wir können uns ja abwechseln.«
    Die Karontiden tauschten Blicke; sie berieten sich in ihrer aus Grunzlauten bestehenden Sprache. Schließlich zeigte eine auf den Wärter und dann auf den Kerker und stapfte davon. Ihre Artgenossen machten Anstalten, ihr zu folgen.
    »He!«, rief der Kultknecht. »Wieso ihr Dumpfbacken zuerst? Bleibt hier. Das ist ein Befehl.«
    Eine Karontide fuhr herum, packte seinen Hals und knallte ihn mit dem Rücken gegen die Kerkertür.
    Der Kultknecht hing zappelnd in der Luft. »Gut …«, stieß er hervor und fuchtelte mit dem Schwertarm, ohne der Hornhaut der Karontide etwas anhaben

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