Der Eiserne König
Fackelschein flackerte auf den Kerkerwänden. Der Wärter öffnete die Handschellen und zog Sanne, Hans und Sneewitt an den Ketten ins Freie. Dort wartete ein Trupp von Kultknechten, der die drei Gefährten durch das Wurzellabyrinth zur Marterhöhle trieb, einer tiefen Ausbuchtung am jenseitigen Rand der Grotte. Fackelrauch hing in der Luft. Kultknechte und Karontiden standen in Reih und Glied hinter Barbera und Grimm, die den Gefährten erwartungsvoll entgegensahen.
»Huh-ha-ha-haaach!«, geiferte die abseitsstehende Jungfer beim Anblick von Hans.
Eisenhans schnippte Sanne eine zerknackte Laus gegen die Brust, als sie an ihm vorbeistolperte.
»Halt!«, rief der Truppführer kurz vor der Marterhöhle. Er reckte eine Faust und rief: »Die Gefangenen, Herrin.«
»Danke, danke«, sagte Eisenhans grinsend. »Ihr könnt jetzt austreten.«
»Hi-hi-hi«, kicherte die Jungfer.
Grimm sandte ihnen einen finsteren Blick. »Soll ich die zwei Idioten nicht lieber gleich kaltmachen?«, flüsterte er Barbera ins Ohr.
»Später, mein Galan«, erwiderte sie. Dann wandte sie sich den Gefährten zu und sagte lächelnd: »Wie schön, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ich hoffe, wir werden ein paar nette Stunden miteinander verbringen.«
»Erstick doch an deiner Schminke«, fauchte Sneewitt, deren Gesicht durch Grimms Schlag grün und blau angelaufen war.
Barberas Lächeln gefror. Sie schnippte mit den Fingern. Kultknechte und Karontiden traten beiseite und enthüllten die Rückseite der Höhle. Dort standen drei Holzgestelle, in deren Rahmen Stricke und Ketten hingen. Marterwerkzeuge ragten aus Becken mit glühender Kohle, und auf einem Tisch lag ein ansehnliches Arsenal weiterer Gerätschaften bereit.
Sanne wankte. »Oh, nein«, flüsterte sie. »Bitte nicht … Bitte nicht …«
Barbera musterte sie eisig. Dann gab sie ihren Kultknechten einen Wink. Man band die Gefährten in die Holzgestelle und zog die Stricke an, bis Arme und Beine straff gespreizt waren. Danach traten die Kultknechte an den Rand der Höhle zurück. Die Karontiden starrten die Gefangenen aus glitzernd gelben Augen an; ihre Schädel glänzten, und sie hechelten erregt.
Hans machte sich auf das Schlimmste gefasst. Sanne, die ihr Schluchzen zu unterdrücken versuchte, zitterte so heftig, dass das Gestell vibrierte.
Barbera ging an den beiden vorbei und blieb vor Sneewitt stehen. »Du bist frech und vorlaut«, sagte sie. »Aber sieh mal, was ich hier habe.« Sie nahm etwas vom Tisch. »Einen roten, knackigen Apfel. Damit stopfe ich dir das Maul.« Sie winkte einer Karontide, die Sneewitts Mund aufhebelte, den Apfel hineinschob und mit einem Lederriemen festband.
Sneewitt bäumte sich auf und riss an den Stricken. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn.
»Du kannst gern hineinbeißen«, sagte Barbera. »Vielleicht ist er ja nicht vergiftet.« Sie lachte laut auf. Dann streichelte sie den Arm der Karontide und flüsterte: »Triezt sie ein bisschen. Sie sollen nicht umsonst gekommen sein.«
Zwei weitere Karontiden kamen angetrottet. Sie griffen im Vorbeigehen nach neunschwänzigen Katzen. Als sie vor den Gefährten standen, röhrten sie so laut, dass es in der ganzen Grotte hallte.
Die Esche erbebte und ließ weitere Blätter zu Boden fallen.
Ein kalter Wind blies der Muhme um die Ohren. Zeisig und Sperling saßen auf Maleens Schultern und duckten sich unter die Kapuze. Die Sonne war nicht zu sehen, der Nebel über dem Fluss wurde dichter und verhüllte den Blick auf die Steilhänge des Gretings.
»Vielleicht warten wir wirklich, bis wir schwarz werden«, sagte Meister Grimbart und gähnte. »Ich bin müde. Tagsüber schlafen Dachse eigentlich.« Er rollte sich zusammen.
Maleen hatte sich hinter die Muhme gekauert, die mit düster umwölkter Stirn ihre Pfeife paffte und den Blick über den schäumenden Welsfluss gleiten ließ. Sie konnte hören, wie Reineke Fuchs auf dem Anleger schmatzend und knurpsend seine Beute fraß; Blut tropfte durch Ritzen auf den unteren Steg. Die Muhme vermisste Kate und Katzen. Sie sehnte sich nach den Hollerbüschen und wünschte sich, bei einem Glas Holunderschnaps im friedlichen Flutwidde zu sitzen; sie malte sich aus, wie die Sonne eines Spätsommerabends durch das Holunderlaub fiel und Lichtflecken über das Gras tanzen ließ. Sie klopfte die Pfeife seufzend an einem Balken aus. Wo blieben die Welse? Waren sie wirklich wieder da?
»Ich friere so«, sagte die hinter ihr hockende Maleen. »Immer noch
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