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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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sieht es nicht mit eigenen Augen, aber ihm kommt zu Ohren, man hätte gefallene fReemade und auch einige, die noch nicht ganz tot waren, auf die Gleise gelegt, wo sie vom Zug überrollt wurden.
    Sie stehlen ein paar Eisenteile, Maschinen, das eine oder andere Stück Vieh – riskieren sie für diese kümmerliche Beute das Leben der Ihrigen?
    Das Gelände steigt an, Fels wächst durch die Krume, die Trasse führt zwischen Bäume. Die Planierer sind dicht vor ihnen, das schwierige Terrain hemmt ihr Vorwärtskommen. Sie sind auf Tunnelbauer gestoßen, die seit zwei Jahren dabei sind, einen Stollen in Granit zu kratzen, und noch immer den Durchbruch nicht geschafft haben.
     

     
    Erst sieht es aus wie ein an den Himmel gemalter kalligraphischer Schnörkel, dann schlängelt es sich als braunes Rinnsal auf sie zu: ein Wald voll Insekten auf der Flucht vor den Vermessern und den Holzfällern.
    Die Leute fluchen, ziehen sich Kleidungsstücke, Decken über den Kopf. Die Insekten beuteln die Männer wie Hagelböen, Millionen mit scharfrandigem Chitin gepanzerte Leiber. Sie sind so groß wie Kaktusdaumen. Mit der Blindheit einer Naturgewalt bekämpfen sie den Zug. Selbstmörderisch verstopfen sie die Getriebe, stauen sich unter den Rädern, überziehen die Geleise mit dem glitschigen Brei Millionen kleiner Leichen. Um genügend Reibung für die Räder zu gewährleisten, rieselt Sand auf die Schienen.
    Vom Ende des Ewigen Zugs hört man anschwellendes Geschrei und Kreischen, als die Insekten die Huren erreichen und die wenigen Bettler, die bis hierher mitgekommen sind, und das Vieh und den ganzen langen Schwanz der an die Schienen gebundenen Ökonomie.
    Durch den ungastlichen kleinen Wald. Die Planierer stecken zwischen den skeletthaften Bäumen. Die Erde hat sich gegen sie gewehrt, und sie sind langsamer geworden. Die Planierer treffen auf die Tunnelgräber und die Brückenbauer, die Schwellen- und Gleisleger treffen auf die Planierer, und die Huren samt dem übrigen Tross treffen auf den Zug, und alles kommt zum Stillstand.
    Das Land runzelt sich zu einer felsigen Lippe von sechzig, siebzig Metern Höhe, zu steil für Züge. Das Gleisbett stößt in einen gähnenden, annähernd vollendeten Tunnel. Judah steigt hinauf. Auf der anderen Seite geht es jäh bergab in eine tiefe Schlucht. Er kann die fast fertige Brücke sehen, Träger, die achtzig Meter unter ihm aus dem Fels ragen und die Stelle bezeigen, wo der Tunneldurchbruch erfolgen wird.
    Arbeiter hängen in Weidenkörben pendelnd an der Wand und stopfen Sprengladungen in vorgebohrte Löcher. Sie werden rasch hochgezogen, während die Lunten Funken sprühend abbrennen.
    Überall auf und an der Brücke sind Remade beschäftigt. Das Gerüst gründet im Boden der Kluft. Die Männer winken zu den Neuankömmlingen hinauf. Es gibt ein großes, herzliches Wiedersehen.
    Die Kolonnen haben monatelang zwischen den knochenweißen Bäumen gearbeitet, und man hat den Eindruck, sie sind aus Staub gebacken. Die Rostfresser und die Heizer auf der mächtigen Lok tragen den Schmutz ihres Zigeunerlebens wie eine zweite Haut. Schreiber und Wissenschaftler beugen sich aus den Abteilfenstern, als der Zug hält; oben kreisen die Wyrmen. Die gelüstigen Damen des Zuges promenieren.
    In dieser Nacht feiert man ein allgemeines Freudenfest, die Tunnel- und Brückenbauer sind aus dem Häuschen vor Begeisterung darüber, endlich wieder einmal neue Gesichter zu sehen. Judah trinkt. Zum Brummen der Drehorgel tanzt er mit Ann-Hari und sie mit ihm und dann mit Shaun Sullervan und mit Thick Shanks. Man raucht, man trinkt. Manch einer geht seiner Fähigkeit zum sprachlichen Ausdruck verlustig im Drogenrausch und benebelt von dem mit Kadabras versetzten, aus primitiven Destillen gewonnenem Fusel.
    Judah bemerkt die Unterschiede zwischen den Mannschaften. Man kann nicht übersehen, dass die Tunnelgräber und Brückenbauer, die so lange schon in dieser Ödnis feststecken, Teil davon geworden sind. Sie machen keine so strikten Klassenunterschiede wie seine Kameraden. Obwohl die Remade gesondert untergebracht sind und eine gewisse Anstrengung unternommen wird, eine Fraternisation zu unterbinden, lässt sich auf Grund der ungünstigen Geländebeschaffenheit eine Abgrenzung nicht so genau aufrechterhalten wie bei Judahs Gruppe, als wäre die stählerne Nabelschnur nach New Crobuzon die Überträgerin der dort gepflegten Diskriminierung. Die Remade vom eisernen Pfad beobachten die hiesigen Remade. Judah merkt, wie

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