Der Eiserne Rat
sie es merken, wie die Gendarmen es merken und die Aufseher.
Judah und seine Mannschaft legen Schienen in den Tunnel hinein, bis zu seinem schrundigen Ende. Die Arbeit geht ihnen schwer von der Hand. Die Männer, die wie Würmer gelebt haben, weichen aus in wachsbeträufte Nischen. Feuer spenden ihnen Licht, und Luxkadabras im Gestein. Judahs Freunde fühlen sich bedrückt. Sie mögen den bleichen, großen Augen der Bergarbeiter nicht begegnen. Das Pochen ihrer Hämmer tönt gespenstisch laut in dieser Düsternis.
Weiter gibt es keine Arbeit für sie. Sie säubern den Zug – eine vergebliche Mühe –, erkunden die Gegend ein paar Meilen in die Runde, vergrößern einen Brunnen. Den Tunnelgräbern können sie nicht helfen, auch nicht den Brückenbauern. Sie können nur warten, der Fleischeslust frönen und Karten spielen.
Die Planierer haben zu tun. Sie können auf der anderen Seite der Schlucht die Trasse vorantreiben, in Richtung Cobsea. Bis dorthin sind immer noch einige hundert Meilen unwegsamen Geländes zu bewältigen. Doch bevor sie sich an die Arbeit machen, wollen sie Geld sehen, und wieder einmal ist die Kasse leer.
Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht, dass es erneut eine Verstopfung in der Geldleitung gegeben hat. Die Tunnelgräber sind außer sich. Sie haben für gute Worte gearbeitet, man schuldet ihnen für etliche Monate den Lohn, und dieser Zug sollte die Gelder bringen. Die Planierer weigern sich, ihre Arbeit fortzusetzen. Seit Wochen hat kein Zug von zu Hause mehr den Streckenkopf erreicht.
Und was? Kein Stillstand, keine Aufmärsche mit geschwungenen Fäusten – nichts geschieht, außer dass eine wachsende Spannung in der Luft liegt, schwelender Unmut, Blicke, die sich zu lange ineinander krallen. Die Tunnelbauer schwingen die Spitzhacke, derweil die Neugekommenen morsche Bäume fällen, für Schwellen minderwertiger Qualität.
Ein Tunnelgräber verletzt sich – ein alltägliches Risiko beim dauernden Umgang mit Schwarzpulver, aber der Mann ereifert sich, als wäre es der erste derartige Unfall. – Seht euch das an, sagt er und zeigt die blutigen Hände. Das Rot leuchtet grell auf der mit weißem Staub bepuderten Haut. – Die lassen unsereins verrecken hier draußen.
In dieser Nacht geht Judah zu der Kuhle, wo sich die Männer treffen, die Männer vögeln, und als er zurückkommt, wartet Thick Shanks auf ihn. – Versammlung, sagt er. – Nicht wir, die. Er zeigt auf die Lichter im Geschützturm des Ewigen Zugs. – Wir müssen überlegen. Sie schicken Reiter nach hinten, damit sie Wrightby sagen, er soll Geld lockermachen und schnell.
Am nächsten Tag kommt es zu einem Zweikampf mit Vorschlaghämmern zwischen zwei Kaktusgiganten. Die Aufseher können nichts anderes tun als zuschauen, wie die vegetabilen Recken sich gegenseitig die Pflanzenfaserknochen zerschmettern. – Es liegt was in der Luft, sagt Ann-Hari zu Judah. Sie sitzen auf einem geschwärzten Felstisch, gesprengt mittels Feuer und kaltem Wasser und den Hammerschlägen des stärksten Remade. – Die Mädchen haben Angst.
Ein paar vereinzelte Lauffeuer- Hefte liegen am Eingang des Tunnels verstreut. Jeden Tag, jede Nacht eine andere Prügelei oder eine geringfügige Unmutsäußerung, wie zum Beispiel ein zerbrochener Lokscheinwerfer oder in den Lacküberzug gekratzte Obszönitäten.
Allmorgendlich versammeln sich die Planierer und verkünden, dass sie nicht gesonnen sind, die Schlucht zu überqueren. Die Vorarbeiter setzen sie für andere Tätigkeiten ein, denn sie streiken nicht, weigern sich lediglich, ihre eigentliche Arbeit zu tun. Sie schaffen den Abraum aus dem Tunnel, bringen Werkzeug, aber sobald sie den Fuß auf die andere Seite der Schlucht setzen, haben sie klein beigegeben, ist es die wortlose Einwilligung, ihren Anteil am Werk zu vollenden, die letzten soundso viel hundert Meilen Gleisbett bis nach Cobsea zu bauen. Und das werden sie nicht tun. Nichtjetzt. Noch nicht. Nicht, solange der eiserne Pfad ihnen das schwer verdiente Geld vorenthält. Das sind sie ihrem Stolz schuldig.
Und dann ist da eine Nacht. Lagerfeuer brennen entlang des Zugs und am schwarzen Maul des Tunnels. Die Wandersterne strahlen, flanieren an ihren ortsfesten Vettern vorbei. Judah hat aus Disteln einen Golem gebastelt.
- Was ist das?
Judah hebt den Blick. Leute gaffen, machen Anstalten, den Felshang zu ersteigen. Sie bewegen sich mit kleinen, hölzernen Schritten, in seinen Augen wie Marionetten, die an unsichtbaren
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