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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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hier, die halten Abstand. Bevor du auch nur in ihre Nähe kommst, haben die Gendarmen dich erledigt.
    Der Junge ist eine Weile stumm. – Ich gehe nach Süden. Ich gehe nach Norden. Nach Westen.
    - Im Süden ist das Meer. Hunderte von Meilen weit weg. Verstehst du dich aufs Fischefangen? Im Norden erwartet dich eine öde Ebene und dann die Berge. Nach Westen? Junge, im Westen liegt die malakornukopische Zone. Da glaubst du dein Heil zu finden?
    - Nein …
    - Nein.
    - Aber wenn ich bleibe, sterbe ich …
    - Möglich. Ann-Hari dreht sich um und schaut den Jungen an, und Judah sieht, dass sie ihn sieht, und das Wesen in ihm reckt sich. – So manche von uns werden an dieser Strecke ihr Leben lassen. Mag sein, dass du stirbst, wie ein freier Mann unter dem Eisen begraben wirst. Vielleicht auch nicht. Sie streckt die Hand aus, legt sie an die Kette – fast berührt sie ihn. Seine Insektenbeine beben. – Noch lebst du. Bleib am Leben, für mich.
    Judah kann nicht sprechen. Er ist überzeugt, dass sie den Jungen nie vorher gesehen hat.
     

     
    Ann-Hari schläft nicht mit ihm, obwohl sie ihn küsst, lange, atemlose Momente, was sie bei keinem anderen tut. Doch immer, wenn er mehr will, verlangt sie Bezahlung, mit einer prinzipiellen Kompromisslosigkeit, die ihn bestürzt.
    - Ich bin kein Kunde, sagt er. Sie zuckt die Schultern. Er kann erkennen, nicht Geldgier ist der Beweggrund.
     

     
    Der Frühling ist da, an den Weichen riecht es scharf nach heißem Metall. In der Kälte sind die Kolonnen nur quälend langsam vorangekommen, doch nun, da die Männer sich Schicht um Schicht ihrer Winterkleidung entledigen, beschleunigt sich das Tempo, und die Schienenleger schließen die Lücke zu den Trupps der Planierer.
    Sie befinden sich in der großen Ebene von Cobsea. Der Ewige Zug schwimmt mit der zunehmenden Hitze in eine tischebene Gegend aus Alkalistaub, der sich in Augen- und Mundwinkeln festsetzt wie Schleim, der stinkt wie Einbalsamierungsflüssigkeit. Er scheint Wärme zu speichern, und so kommt es, dass die Arbeiter aus der Winterkälte in einen Backofen gestürzt werden. Die Güterwagenstadt ist verdreckt. Das Schlachtvieh entwickelt Geschwüre, das Fleisch der Tiere schmeckt verdorben. Eine Karawane von Tankwagen ist unaufhörlich unterwegs, um aus meilenweit entfernten Bächen und Flüssen Trinkwasser herzuschaffen.
    Das Land ist lebendig. Der Boden sinkt unter ihnen ein, enthüllt Schlund und Mundwerkzeuge riesiger, Staub einsaugender räuberischer Kreaturen. Das Land bockt. Ein Erdsturm schleudert Steindiskusse himmelwärts, droht den Zug von den Gleisen zu stürzen. – Wir sind unwillkommen. Das sagen alle.
    Kundschaftertrupps kehren aus der Wüste zurück, peitschen ihr Kamel zu röchelnder, schäumender Panik. In ihrem Karren liegt ein Mann, steif, weil von Kopf bis Fuß umhüllt von dem Seim, der ihnen allen anhaftet, nein, er ist eine Statue, nein, er ist überzogen von phantastischen Auswüchsen, Tumoren aus Stein. Sie schließen ihn ein, eine Menschengestalt, deren Lippen beben.
    - Es kam aus dem Boden …
    - Wir dachten, es wäre Nebel …
    - Wir dachten, es wäre Rauch von einem Feuer …
    Dann aber ist es Rauchstein, der aus Erdporen schoss und im Handumdrehen erstarrte. Man muss den Unglücklichen mit Hammer und Meißel befreien, ein blutiges Geschäft, denn Haut und Fleisch bleiben an dem Panzer hängen.
    Tage später erreicht der Ewige Zug den Ort des Geschehens, und man bestaunt über den Boden schleppende Riefen aus Rauch, vollkommen starr. Stein in unmöglich fragiler Gestalt, ziehende Schwaden, angedeutete Wolken, schwungvolle Arabesken. Härter als Basalt. Steinatem.
    Er ist quer über die geplante Trasse gedriftet, und die größten Männer begeben sich mit ihren Holzhämmern zu der neuen Formation. Sie krallen sich an zu Fels gewordene Augenblicke des Windes, erklettern, so sieht es aus, die Flanken einer Wolke. Nur winzige Splitter springen unter dem Meißel ab. Die Männer brauchen Stunden, bis ein Einschnitt in Gleisbreite entstanden ist. Sie schneiden einen Weg durch Nebel.
     

     
    Die fReemade lassen ihnen keine Ruhe, sie attackieren mit einer blindwütig wirkenden Launenhaftigkeit. DIE FREEMADE SIND NICHT DER FEIND!, verkündet eine neue Serie handgeschriebener Plakate, doch angesichts der blutigen Scharmützel fällt es den Arbeitern schwer, sich dieser Aussage anzuschließen.
    Judah kann nicht begreifen, was die fReemade wollen. Auch sie erleiden bei den Überfällen Verluste. Er

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