Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
um den verdammten Rat vor sich selbst zu retten?«
    »Wie schon gesagt. Ich habe eine Idee – für den Notfall. Einen letzten Trumpf. Denn bei Jabber und allen Göttern und bei allem, was es sonst noch gibt, ich werde es nicht zulassen, dass sie in ihr Verderben rennen. Halte sie auf. Aber wenn du es nicht schaffst, werde ich in die Bresche springen. Lass mich nicht im Stich, Cutter.«
    Bastard, dachte Cutter, schmerzlich hin- und hergerissen, unfähig zu sprechen. Bastard, so etwas zu mir zu sagen. Du weißt, was du mir bedeutest. Bastard. Er hatte ein hohles Gefühl in der Brust, als fiele er innerlich zusammen, als verzehrten seine verdammten Eingeweide sich nach Judah Low.
    »Ich liebe dich, Judah«, sagte er. Er wandte den Blick zur Seite. »Ich liebe dich. Ich werde tun, was ich kann.« Ich liebe dich so sehr, Judah. Ich würde für dich sterben. Er weinte, stumm, wütend auf sich selbst, versuchte, die Tränen wegzuwischen.
    Judah küsste ihn. Judah richtete sich auf, gütig, unerbittlich, umfasste sanft Cutters Kinn, hob seinen Kopf an. Cutter sah die feuchten Flecken an der Tapete, sah den Türrahmen, blickte auf Judahs Bartstoppeln, eisengrau, sein hageres Gesicht. Judah küsste ihn, und Cutter hörte einen Laut aus seiner eigenen Kehle dringen und war böse auf sich selbst und dann auch auf Judah. Du Bastard, dachte er oder versuchte er zu denken, während des Kusses, aber er konnte sich nicht dazu zwingen. Er würde tun, worum Judah ihn gebeten hatte. Ich liebe dich, Judah.

 
Neunter Teil

     
Klang und Zeit

 
Kapitel 31
     
     
    Ein Aerostat am Himmel über dem offenen Land. Es flog schnell, vom Wind und seinem Motor angetrieben, über Steppe, aus der Felsbuckel wuchsen. Die unten vorbeiziehenden Geisterstädte, verfallene Zeugnisse des Eisenbahnbooms, sahen aus wie Flecken auf alten Heliotypien. Cutter betrachtete die Landschaft aus der kleinen Steuerkanzel.
    Das Kollektiv hatte sie aus der Stadt gebracht. Erst hatte man zwei Ablenkungsballons losgeschickt, in denen Puppen saßen, und während die Miliz sich darauf stürzte, machte das Flucht-Aerostat sich auf den Weg. Der Pilot hielt das Schiff in der Deckung der Hochhausblocks, schlich zwischen den Schloten der Fabriken in den Industriebezirken hindurch, um nicht von den Abfangflotten entdeckt zu werden.
    Die Furcht vor Luftpiraten begleitete sie, doch abgesehen von den stupiden Belästigungen einiger Githwings und ein paar fremder Wyrmen blieben sie unbehelligt. Cutter musste die ganze Zeit an Judah denken. In seinem Innern wogte ein vielschichtiger Groll, vermischt mit einem Verlangen, das er nicht abzutöten vermochte.
    »Pass auf dich auf, Cutter«, hatte Judah zum Abschied gesagt und ihn umarmt. Er wollte nicht verraten, was er vorhatte, aus welchem Grund er in der Stadt blieb. »Du darfst keine Zeit verlieren. Sie sind durch. Die Miliz, sie haben den Malakornu hinter sich und wenden jetzt ihre Kräfte daran, in Gewaltmärschen den Eisernen Rat einzuholen. Komm zurück«, hatte er gesagt. »Wenn sie eine andere Route einschlagen oder den Zug verlassen und sich trennen, komm wieder her, und ich werde warten. Und wenn sie sich weigern, Vernunft anzunehmen, setz dich ab, überlass sie ihrem Schicksal, komm zurück zur Stadt und ich werde hier sein, ich warte auf dich.«
    Das wirst du nicht, dachte Cutter. Nicht so, wie ich es mir wünsche.
    Der Pilot war ein Remade, sein Arm ein Python, den er an den Leib gebunden trug. Er sprach kaum ein Wort. Nach drei Tagen wusste Cutter nicht mehr von ihm, als dass er früher für einen Unterweltkönig gearbeitet hatte und nun ein glühender Anhänger des Kollektivs war.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte Cutter. »Aus dem Malakornu droht Gefahr.« Er wusste, es hörte sich an, als ob eine reißende Torques-Bestie die Gegend unsicher machte, und er ließ es dabei. »Wir müssen den Rat finden.«
    Er vergewisserte sich, dass die Spiegel in seinem Gepäck unversehrt waren. Die Glasbläser hatten einen großartigen Ersatz gefertigt. Er hatte sie Madeleina di Farja gezeigt und erklärt, welchem Zweck sie dienten.
    »Wie oft hast du das schon gemacht?«, fragte sie, und er lachte.
    »Noch nie. Aber Judah Low hat mir erklärt, wie’s geht.«
     

     
    Cutter schaute aus dem Fenster in die Weite des Himmels, mit den schwarzen Punkten der Vögel und vom Wind getriebenen Staubschleiern. Sie flogen über Regenwolken, die aussahen wie eine Landschaft aus Rauch. Am äußersten Rand ihres Gesichtsfelds, weit im

Weitere Kostenlose Bücher