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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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gewusst, dass ich es nicht schaffe, Bastard. Deshalb bist du in der Stadt geblieben. Die eine oder andere Überraschung vorbereiten, für den Fall, dass ich sie nicht überzeugen kann. Trotzdem, obwohl Judah damit gerechnet hatte, nahm Cutter sich übel, dass er gescheitert war.
    In dieser Nacht tat keiner ein Auge zu. Immer noch trafen Nachzügler ein, in großen und kleinen Gruppen.
    Beim ersten Tageslicht bezogen Cutter und Thick Shanks Position, jeder auf einer etwa sechs Meter hohen Stele, getrennt durch etliche Meter Abstand, beide der Sonne zugewandt und mit einem von Judahs Spiegeln ausgerüstet. Bevor er sich auf den Weg machte, war Cutter zu Ann-Hari gegangen. Er wollte ein letztes Mal versuchen, ihr klar zu machen, dass sie ihre Weggefährten, alte wie junge, in den Selbstmord schickte. Sie wartete lächelnd, bis er fertig war.
    »Unsere Kadabristen verfügen über das Werkzeug, das Judah ihnen gegeben hat«, sagte sie. »Wir besitzen unsere eigene Thaumaturgie. Und wir haben, was Judah uns beigebracht hat. Wir verstehen uns darauf, Golems erstehen zu lassen, aus den Fallen, die er vorbereitet hat.«
    »Jedes Mal, wenn ihr eine davon auslöst, wird er es spüren. Über jede Entfernung hinweg.«
    »Ich weiß. Und wir werden alle auslösen. Eine nach der anderen. So, wie die Milizzer kommen. Wenn es sich nicht vermeiden lässt.«
    »Es wird sich garantiert nicht vermeiden lassen.«
    Cutter und Thick Shanks wappneten sich auf ihrem Felspfeiler für das Kommende. Es war kurz nach Anbruch der Morgendämmerung. Der Mond war noch zu sehen, bleich und hoch am Himmel. Das Licht der aufgehenden Sonne traf die Spiegel, und Cutterjustierte seinen nach unten, richtete den reflektierten Strahl auf das Kreuzzeichen, das er auf dem Boden angebracht hatte. Thick Shanks folgte seinem Beispiel, wie Cutter es ihm gezeigt hatte. Die Flecken gebündelten Sonnenlichts irrten wie verschreckte Tiere über Buschwerk und staubige Erde und trafen sich auf dem X.
    Die Streitmacht der Dirimisten bereitete sich zum Kampf, verschanzte sich in Gräben, hinter Wällen, brachte Geschütze in Stellung. Cutter spähte nach Westen, die Richtung, aus der der Feind zu erwarten war.
    Es dauerte nicht lange. Das erste Zeichen war eine Staubwolke. Cutter setzte das Fernrohr ans Auge. Noch waren die Gestalten winzig, und es schienen in der Tat nur sehr wenige zu sein.
    Eine Rotte Wyrmen flog auf, um sie zu sekkieren; sie waren mit Säuregranaten und Fallmessern bewaffnet. Ihnen folgte das Aerostat mit dem pythonarmigen Piloten und zwei Freiwilligen, um den Feind aus der Luft unter Dauerfeuer zu nehmen. Die Miliz kam näher, minütlich, stündlich, und die Wyrmen überquerten das graue Niemandsland, und das Luftschiff ging in Tiefflug über. Die Motoren von Judahs Golemfallen surrten, die Kadabristen skandierten Beschwörungsformeln.
    Ein verstörter Dirimist erschien aus der felsigen Ebene. Er taumelte, konnte die ersten Minuten kein Wort herausbringen, von Erschöpfung und Angst der Sprache beraubt.
    »Ich bin in einen Hinterhalt geraten«, berichtete er endlich. »Sie haben meine Frau umgebracht. Wir waren acht. Sie ließen etwas aus der Erde hervorkommen, sie ließen etwas aus uns hervorkommen.« Er begann furchtbar zu schreien. Die Umstehenden tauschten betretene Blicke. Ich hab’s euch gesagt, dachte Cutter. Ich habe euch gesagt, es ist nicht so einfach, wie es aussieht.
    Zwei Meilen entfernt näherten die Wyrmen sich den Soldaten. Sie führten kein sichtbares Kriegsgerät mit. Ritten in Formation. Ein seltsamer Augenblick entstand, wie ein Innehalten, ein Atemholen, dann wurden die Wyrmen, einer nach dem anderen, aus der Luft gezogen.
    Lange Sekunden kein Laut. Dann: »Was …?«
    »Haben …?«
    »Ich glaube, hast du …?« Noch hatten sie keine Angst, noch nicht. Noch herrschte überwiegend Verständnislosigkeit. Cutter wusste nicht, was geschehen war, aber er wusste, die Angst war schon auf dem Sprung.
    Ein letzter Wyrmen torkelte durch die Luft, um sich schlagend, eingehüllt in ein Laken aus schmutzigem Nichts, sichtbar nur wegen der Schlieren aus Staub und Spreu in seinem Sog, ein Gerinnsel böswilliger Luft. Cutter begriff.
    »Wo sind sie hin?«, rief jemand.
    Die Wyrmen rangen mit Luft, die sie einschnürte, zerquetschte, zwischen widerstreitenden Strömungen in Stücke riss.
    Auch das Aerostat war in Schussweite gekommen, und Kugeleinschläge liefen über die Erde auf die Truppen zu. Dann brachen die Salven ab, und man konnte

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