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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Seiten herabhängend.
    »Was sagst du dazu?«, fragte Wrightby.
    In Cutters Ohr raunte Drogons Stimme: »Sprich.«
    »Fick dich«, platzte Cutter sofort heraus. Wrightby nickte, wartete ab.
    »Verschwindet von meinem verdammten Zug. Ihr Bastarde, ihr verräterischen Bastarde. Drogon, du entkommst uns nicht …« Er holte tief Atem, um zu schreien, und Drogon verschloss ihm wieder den Mund.
    »Wir werden euch nicht entkommen?« Wrightby hob fragend die Augenbrauen. »Da habe ich meine Zweifel. Wirklich, ich glaube doch. Wir gehen jetzt. Ich werde auf dem Gelände sein. Wenn der Zug ankommt. Ich werde euch erwarten. Komm zu mir, falls du anderen Sinnes werden solltest, falls du deine Meinung änderst.«
    Wieder flüsterte Drogon. Cutter spürte, wie sein Körper von Krämpfen zusammengezogen wurde. Der Wisperschmied führte Wrightby zu dem schmalen Pfad, auf dem sie gekommen waren. Er blickte sich noch einmal nach Cutter um.
    »Nur, damit du Bescheid weißt«, sagte er. »Soweit ich es sehe, macht es nicht den geringsten Unterschied. Nur für den Fall. Weil jetzt ein Schlussstrich gezogen werden muss. Deine Spiegel sind zerbrochen. Vorsorglich.«
    Weather Wrightby schaute Cutter in die Augen. »Du weißt, wo du mich findest.«
     

     
    Dann waren sie fort, und Cutter wütete gegen den Flüsterbann. Warum habt ihr mich nicht getötet, ihr Schweinehunde?
    Sein Arm hob sich. Nicht mehr wichtig. Er war keine Gefahr. Was sie ihm erzählt hatten, würde ohne Konsequenzen bleiben. Die Miliz wird auf euch warten – das predigte er seit Wochen. Auch wenn nun der letzte Zweifel ausgeräumt war, die Aussage blieb gleich. Weshalb sollte eine neuerliche Wiederholung den Eisernen Rat bewegen, seine messianischen Pläne zu ändern?
    Und noch aus einem anderen Grund hatten Drogon und Weather Wrightby ihn am Leben gelassen. Sie spekulierten darauf, dass er doch noch zu ihnen überlaufen könnte. Sie trauten ihm zu, dass er seine Sachen packte, den Eisernen Rat kaltblütig ins Verderben dampfen ließ und bei ihnen anheuerte. Er hasste sie dafür, doch gleichzeitig dachte er: Was bin ich? Was an mir bringt sie dazu, mich dessen für fähig zu halten?
    Ihm kamen die Tränen. Er wusste nicht, ob wegen der Anstrengung, die es kostete, sich von dem Bann zu befreien, oder wegen etwas anderem. Er sah sich selbst, wie Drogon ihn gesehen haben musste: Sein Sarkasmus und einzelgängerisches Wesen ließen ihn aussehen wie jemanden, der nur darauf wartete, zum Verräter zu werden.
     

     
    Die im Arsenalwaggon verstauten Spiegel waren aus der schützenden Hülle genommen worden. Das Glas war von Sprüngen durchzogen, die Silberhaut zu Staub geworden. Cutter wollte jemandem erzählen, was geschehen war, doch er fürchtete sich vor der Bitterkeit in seinem Innern, der trostlosen Gewissheit einer bestätigten Vermutung – er fürchtete, trotz des echten Schmerzes, den er empfand, könnte man ihm Schadenfreude unterstellen. Er hasste seine Schwäche. Er wusste, Drogon hatte sie gewittert. Deshalb waren er und dieser Verrückte in dem Glauben gewesen, man könne ihn leicht dazu bewegen, seine Gefährten im Stich zu lassen.
    Er ging mit den zerbrochenen Spiegeln zu Ann-Hari und erzählte ihr alles.
    Auf den alten Gleisen schimmerte das Mondlicht. Am Horizont, im Osten, lag ein Streifen tieferer Schwärze vor dem schwarzen Nachthimmel: der Rudewood, wahrhaftig schon in Sichtweite. In der diesigen Luft waren die Lichter des Zugs und die Kochfeuer jedes für sich von einem kleinen Hof umgeben.
    »Und?«, fragte Ann-Hari.
    »Was wirst du jetzt tun?«
    »Was würdest du tun?«
    »Ich würde die Richtung ändern, um Jabbers willen. Ich würde abbiegen und auf den Gleisen nach Süden fahren statt nach Norden.«
    »Ins Ried?«
    »Fürs Erste. Um fürs Erste in Sicherheit zu sein. Um zu leben, gütige Götter. Um zu leben. Sie warten. Morgen. Vielleicht übermorgen, stehen sie da und warten auf uns.«
    »Wirklich? Und?«
    »Und?« Cutters Stimme tönte wie ein Posaunenruf durch die stille Nacht. »Und? Bist du wahnsinnig? Hast du mir überhaupt zugehört? Und was soll das heißen, ›Wirklich?‹?« Er verstummte abrupt. Ihre Blicke kreuzten sich. »Du glaubst mir nicht.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Du glaubst, ich lüge.«
    »Nun, nun«, sagte sie. »Nicht aufregen. Du bist ein guter Freund, Cutter, wir wissen das …«
    »Bei allen Göttern, du denkst, dass ich lüge. Und daraus folgt? Du denkst, Jabber, du denkst, ich hätte die verdammten Spiegel

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