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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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unbekannter Herkunft. Ziel waren die Forschungsexpeditionen und die Kauffahrtei der Stadt. Die Geschichte New Crobuzons war gekennzeichnet von einem Hin und Her zwischen Autarkie und expandierendem Handel. Aber nie zuvor, sagten die betroffenen Kapitäne, war der Versuch, neue Märkte zu erschließen, dermaßen bestraft worden, ohne jede Vorwarnung.
    Nach Jahrhunderten unsicherer Verhältnisse und kurioser Wechselbeziehungen hatte der Stadtstaat sich mit der Hexenkaste verständigt, und die Schiffe New Crobuzons passierten unbehelligt die Lohwasser-Enge. Damit stand der Seeweg offen zu den Ebenen und Inseln, den sagenhaften Orten am anderen Ende des Kontinents.
    Schiffe kehrten von großer Fahrt zurück und brüsteten sich, sie wären in Maru’ahm gewesen. Nach Jahren auf See brachten sie juwelenbesetzte Kuchen mit, aus der Tausende Meilen entfernten Doppelstadt der Krokodile, genannt Die Brüder. Gerade dann, als man die Schwierigkeiten überwunden glaubte, begann die unerwartete Freibeuterei ihnen zuzusetzen, schmerzhaft, und in New Crobuzon dämmerte die Erkenntnis, dass man sich im Kriegszustand befand.
    Die geheimnisumwitterten Schiffe aus Tesh, die Barkantinen und schnittigen, mit flatternden bunten Tüchern behangenen Katboote, deren Mannschaften sich mit Henna bemalten und die Zähne spitz feilten, hatte man seit längerem nicht im Hafen gesehen. Man hörte Gerüchte, durch seit einiger Zeit verödete und erst jüngst wieder benutzte Kanäle hätte Teshs geheimer und nie gesehener Botschafter der Bürgermeisterin die offizielle Kriegserklärung seiner Regierung übermittelt.
    Berichte über Aggressionen Teshs gegen Crobuzoner Schiffe in der Lohwasser-Enge wurden häufiger und bekamen größere Präsenz in der Tagespresse und den Wandzeitungen des Magistrats. Die Bürgermeisterin versprach Vergeltungsmaßnahmen und Gegenschläge. Die Marine verstärkte ihre Rekrutierungsmaßnahmen, parallel zu – hörte Ori – der Anwerbung mittels Schnapsflasche.
    Das Ganze war immer noch fern, abstrakt: Seeschlachten tausend Meilen weit weg. Doch die Feindseligkeiten eskalierten. Immer mehr Reden von Ministern hatten den Krieg zum Thema. Der neue kaufmännische Unternehmungsgeist der Stadt brachte keinen Aufschwung: Absatzmärkte für Exporte blieben verschlossen, die Unsicherheit auf den Meeren blockierte den Import exotischer Luxusartikel. Schiffe liefen aus und kamen nicht wieder. New Crobuzons stillgelegte Fabriken nahmen den Betrieb nicht wieder auf, andere meldeten Konkurs an, und die Schilder am Tor wurden stockfleckig, zum Hohn der darauf verkündeten »vorübergehenden Schließung«.
    Die Stadt stagnierte, sie wurde saft- und kraftlos und verlotterte. Der Krieg schickte seine Überlebenden nach Hause.
    Soldaten, an Leib und Seele verwundet, vom Staat im Stich gelassen, sah man in Dog Fenn und Riverskin betteln und allen, die es hören wollten, ihre Erlebnisse predigen. Narbig, mit zerschmetterten Knochen, verstümmelt vom Feind und im blutigen Chaos eines Feldlazaretts, hatten manche überdies befremdlichere Blessuren davongetragen, wie nur die Streitkräfte Teshs sie ihnen zugefügt haben konnten.
    Hunderte der Heimgekehrten waren ihres Verstandes verlustig gegangen, und in ihrem Wahn rabulierten sie in einer fremden, lispelnden Sprache. Alle, über die ganze Stadt verstreut, skandierten die gleichen Worte, synchron. Da waren Männer mit blutigen Gallertbällen als Augen, die dennoch sehen konnten, hörte Ori, und die unaufhörlich weinten, weil sie den Tod in allen Dingen sahen. Die Leute fürchteten die Veteranen wie das eigene schlechte Gewissen.
    Einmal, es lag inzwischen einige Monate zurück, war Ori an einem Mann vorbeigekommen, der auf seine verschreckten Zuhörer einredete und ihnen seine Arme zeigte, die wie gebleicht aussahen, fahlgrau.
    »Ihr wisst, was das ist!«, rief er ihnen zu. »Ihr wisst Bescheid! Ich war am Rand einer Explosion – und ihr seht ja. Die Knochenflicker wollten mir die Arme abschneiden, sagten, sie müssten ab, aber sie wollten nur verhindern, dass ihr das hier seht …« Er schwenkte seine gespenstischen Gliedmaßen wie Scherenschnitte, und die Miliz kam und brachte ihn zum Schweigen, schleppte ihn weg. Aber Ori hatte das Grauen auf den Gesichtern der Leute gesehen. Hatte Tesh wahrhaftig das vergessene Geheimnis der Farbenbombe wiederentdeckt?
    So viele Unwägbarkeiten, ein rapides Schwinden der Moral, Angst in der Stadt. Zwei, drei Jahre lebte man nun in der Zeit der

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