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Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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dass es dabei allein um Emulation ging – bei Golems war das stets so. Ihm fiel jedoch auf, dass ihr Schiffsanzug lose und sackartig an ihr hing und die Hände zwar von verkohlter Materie befreit waren, aber nach wie vor keinen Synthofleischüberzug hatten. Die Handknochen glänzten auf ihrem Schoß wie Stahlspinnen.
    »Wie geht es dir?«, fragte Cormac, und dann ärgerte ihn die eigene Höflichkeit gleich. Warum sollten Golems irgendwelche Probleme mit Fleisch haben, das sie ersetzen konnten, und mit einem Bewusstsein, das sie neu formatieren konnten wie die Festplatten primitiver Computer? Warum spielte er das Emulierungsspiel mit ihr?
    Sie blickte auf, und ihr Gesicht wiederzusehen, das erinnerte ihn daran, wie sehr er auf menschlicher Ebene schon auf sie reagiert hatte. Auch ärgerte ihn, dass er sich an ihre erotischen Begegnungen hier und in seiner Kabine erinnerte, denn nach den jüngsten tragischen Ereignissen kam ihm das alles wie ein kindisches Spiel vor.
    »Es geht mir, wie es mir geht«, sagte sie, »und damit es mir wieder besser geht, damit ich genese, wird es nötig sein, dass ich aufhöre zu sein, was ich bin.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Natürlich verstehst du das nicht«, sagte sie. »Du denkst noch immer, dass Golems etwas Geringeres sind als Menschen. Du betrachtest Golems noch immer als bloße Maschinen. Du hältst an dem primitiven archaischen Glauben fest, dass Geist, der von Fleisch hervorgebracht wird, etwas Besseres darstellt. Es erinnert beinahe an die religiöse Überzeugung von einer Seele. Du kannst anscheinend nicht akzeptieren, dass wir so komplex sind wie du, wenn nicht sogar komplexer. Und du kannst auch nicht akzeptieren, dass du bloß eine Maschine bist, die aus anderem Material besteht.«
    Er hätte am liebsten Einwände erhoben, aber sie hatte ihn erwischt. Er empfand so, egal wie töricht es vielleicht schien. Es ging alles um Emulierung, vermutete er. Welchen Sinn hatten Gefühle, wenn man sie an- und abschalten konnte? Was nützte vorgespieltes Menschsein, wenn man es einfach ablegen konnte? Es war nur ein Irrtum. Und doch war es für Menschen möglich geworden, den Verstand zu editieren und in der Folge auch die Gefühle. Gerade derzeit wurde es möglich, die Gefühle fleischlicher Kreaturen an- und abzuschalten, und bald schon würde die Memoaufzeichnung aller Daten in diesem Fleischklumpen, umfasst von Knochen, weit genug entwickelt sein, damit auch Menschen, wenn sie das entschieden, zu etwas anderem werden konnten.
    Er zuckte verlegen die Achseln. »Ich lerne es noch.«
    Crean starrte ihn eine ganze Weile lang an und sagte: »Vielleicht kann ich dir helfen.« Dann lächelte sie, schloss die Augen und beugte sich vor, erstarrte erneut.
    »Was meinst du damit?«, fragte er.
    Keine Reaktion.
    »Crean?«
    »Sie wird nicht antworten«, teilte ihm Sadist mit.
    »Was?«
    »Crean hat beschlossen, sich lieber selbst zu löschen, als sich durch Neuformatierung in eine Verfassung zu bringen, dass sie es ertragen könnte, ohne ihre Gefährten zu sein.«
    Cormac stellte fest, dass er zur Tür zurückwich. »Was?«
    »Sie hat sich selbst getötet.«
    Er stolperte auf den Flur hinaus, und die schon vorher durch die Memoladung erzeugte Übelkeit kehrte mit Wucht zurück. Er sank auf die Knie und erbrach sich, lehnte dann den Kopf an die Wand und wünschte sich, er könnte weinen. Etwas in ihm ließ das jedoch nicht zu, und er fragte sich, ob die frühe Editierung seines Verstandes diese Funktion beschädigt hatte. Er blieb einige Zeit in dieser Haltung und rappelte sich dann langsam wieder auf, während ein Käferbot forschend aus seiner Heimstätte tief unten in der Wand blickte.
    »Soll ich sie aus der Kabine holen?«, fragte Cormac.
    »Ich schicke einen meiner Telefaktoren, der sich darum kümmert«, antwortete Sadist.
    Cormac starrte auf den Käferbot hinab, während dieser über der dünnen Schicht von Erbrochenem schwebte, die Cormac hinterlassen hatte. Der Bot entfernte sie und ließ einen sauberen Teppich zurück. Lösche diese Dinge aus, wische die Tafel sauber, lasse sie so zurück, dass man sie neu beschreiben kann. Er verstand seine Mutter jetzt, weigerte sich aber, diesem Beispiel zu folgen.
     
    Diesmal war es anders. Er hatte nicht das Gefühl, ein Kind zu sein, und obwohl er seine Umwelt als das Haus seiner Mutter erkannte, erwies es sich doch als neu dekoriert und modernisiert. Er ging ins Wohnzimmer und flegelte sich in einen der Sessel, ganz wie Dax es zu tun

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