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Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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in einem anderen Zeitalter. Er lehnte den Kopf an und schloss die Augen.
    »Und wie geht es jetzt weiter?«, fragte er.
    Die Schwester trat an den Autodok neben ihm heran. Nach einer Unterbrechung stieg die obere Hälfte, die wie ein verschromter Pfeilschwanzkrebs aussah, auf einem Scharnierarm empor.
    »Sobald die Verbindungen hergestellt sind, müssen Sie an das denken, was sie vergessen möchten«, sagte eine Stimme, die von irgendwo über ihm ausging.
    Der Autodok streckte behutsam einen gegliederten Arm nach Dax’ Genick aus, und als Dax unvermittelt ganz reglos wurde, bemerkte Cormac erst, wie zappelig sein Bruder zuvor gewesen war. Der Dok fuhr höher und schwenkte ein Stück weit, bis er direkt über dem Kopf des Patienten hockte. Er klappte zahlreiche Gliedmaßen nach unten aus, und einige davon drangen in Schläfen und Kopfhaut ein, ohne dass dabei Blut austrat. Cormac spürte, wie der Griff der Mutter um seine Hand fester wurde, aber das Schauspiel faszinierte ihn zu sehr, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
    »Natürlich ist es nicht möglich, vollständig alle Erinnerungen zu löschen, die in Bezug zu den relevanten Ereignissen stehen. Vielmehr werde ich synaptische Verbindungen so justieren, dass die Erlebnisse an Bedeutung für Sie verlieren – sodass die Lücken Ihnen nicht so zu schaffen machen, wenn die eigentlichen Ereignisse erst gelöscht sind.«
    Die Stimme war offenkundig die einer KI von hohem Status, bemerkte Cormac. Die gesamte Technik in diesem Zimmer wurde vermutlich von ihr ferngesteuert, vielleicht sogar die Golemschwester, denn sie stand jetzt unnatürlich reglos hinter dem Stuhl. Sehr wahrscheinlich führte diese KI viele solcher Editierungssitzungen gleichzeitig aus. Der Autodok wirkte jetzt ganz still, denn seine eigentliche Arbeit verlief verdeckt in Dax’ Schädel, in den er Nanofasern einführte, um Nervenbahnen zu kauterisieren, und Neurochemikalien injizierte, um die Dinge im Kopf neu auszubalancieren. Cormac wusste, dass dort noch mehr geschah, denn er hatte sich nur die Grundlagen der Methoden angelesen, wie ein Verstand editiert werden konnte. Dax’ Miene wirkte zu Anfang schmerzlich und verspannt; dann klappte der Unterkiefer auf, und es schien ihm schwerzufallen, die Augen nicht zu schließen. Plötzlich bewegte sich die Krankenschwester wieder und kam um den Stuhl herum auf Cormac und seine Mutter zu.
    »Der Vorgang wird ungefähr eine halbe Stunde dauern«, erklärte sie ihnen. »Vielleicht möchten Sie lieber bequem draußen warten.«
    »Liegt ein Problem vor?«, fragte Hannah.
    »Jeder Fall ist anders«, antwortete die Schwester. »Bei jemandem mit Dax’ Ausbildung und Erfahrung muss mit äußerster Vorsicht vorgegangen werden, um nichts Wertvolles zu verlieren.«
    »Wäre er also nur ein einfacher Soldat«, sagte Hannah, »würde es schneller gehen. Ich bin nicht sicher, ob ich das tröstlich finde.«
    Das zuckersüße Lächeln verschwand aus dem Gesicht der Schwester und wurde ersetzt von etwas, das vielschichtiger war, menschlicher. Die KI musste inzwischen ihre volle Aufmerksamkeit durch diesen Golem-Telefaktor lenken. »Die schlichte Realität lautet, dass es Wichtigeres gibt als zu wissen, wie man einen Prador ausnimmt: zum Beispiel die Kenntnis von komplexen chirurgischen Verfahren zur Behandlung von Verletzungen, wie sie durch einige der neuen Waffen da draußen erzeugt werden.«
    »Ich verstehe«, sagte Hannah und ging zur Tür, wobei sie Cormacs Hand weiter in festem Griff hielt. Wenig später hatten sie es sich im Vorzimmer bequem gemacht, und Hannah besorgte ihnen Getränke aus dem Automaten.
    »Wird er wieder gesund?«, fragte Cormac, während er seinen P-top hervorholte und aufklappte.
    Hannah stockte für eine kurze Weile und starrte nur den Automaten an, während dieser Kaffee für sie und eisgekühlten Ananassaft für ihn produzierte. Als die Getränke ausgegeben waren, nahm Hannah sie zur Hand und drehte sich zu Cormac um.
    »Ja«, sagte sie, »er wird wieder gesund.« Sie starrte ihn eine ganze Weile lang an, ehe sie die Getränke auf den niedrigen Tisch stellte und sich auf den Stuhl neben ihm setzte. »Ich bin jedoch im Zweifel über den moralischen Aspekt, wenn man schlechte Kriegserinnerungen herauseditiert.«
    »Aber wir wurden angegriffen«, wandte Cormac ein, »also kommt das Überleben doch vor der Moral, oder?«
    Sie starrte ihn mit hochgezogener Braue und leicht unsicherer Miene an – die sie immer dann zeigte, wenn er etwas zu

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