Der eiserne Skorpion - Roman
integrieren.«
»Ich verstehe.«
»Nötig ist auch die Zustimmung Agent Spencers und deines Teamkommandeurs, da sich dieser Vorgang auf deine Leistungsfähigkeit auswirken kann.«
»Dann vielleicht erst das Video?«
»In deinen Verstärker oder auf deinen Monitor?«
»Schicke eine Kopie an den Verstärker, aber spiele sie auch auf dem Bildschirm ab.«
Der Bildschirm ging an und zeigte ein erstarrtes Bild seiner Mutter Hannah. Einen Augenblick später geriet es in Bewegung, und sie hob eine Hand und rieb sich die Stirn, als hätte sie Kopfschmerzen. Dann blickte sie auf.
»Cormac«, sagte sie und unterbrach sich für eine ganze Weile. »Ich habe mich immer noch nicht daran gewöhnt, dich so zu nennen. Ich frage mich, ob du, nachdem du jetzt seit längerem bei der ECS bist, noch immer darauf bestehst, dass dich die Leute mit dem Nachnamen anreden. Zweifellos tust du das, denn ich vermute sehr, dass die Editierung diese Gewohnheit noch tiefer in dir verankert hat.«
Erneut eine lange Pause.
»Ja, ich habe deinen Verstand editieren lassen. Es war vielleicht töricht, aber ich konnte damals ohnehin kaum einen klaren Gedanken fassen. Und nachdem es erst mal geschehen war, konnte man dir die Erinnerungen nicht zurückgeben. Selbst heute ist es im Grunde nicht möglich, besonders nach so langer Zeit. Alles, was du heute bist, ruht auf dem Fundament dessen, was zuvor geschah, und wenn man das Fundament eines Hauses umbaut, riskiert man den Einsturz des ganzen Hauses.«
Sie lächelte müde, und Cormac wünschte sich, dass eine Direktverbindung zu ihr bestünde und er ihr somit erklären könnte, wie abhängig ein Haus von seinem Fundament war und wie sehr man riskierte, dass das Haus ohnehin nicht sehr stabil ausfallen würde, wenn man von Anfang an am Fundament herumpfuschte. Er vermutete jedoch, dass sie das ohnehin wusste.
»Ich habe dich kurz nach Dax’ Abreise Richtung Cheyne III in die Editierungsklinik gebracht, als du acht Jahre alt warst. Ich hatte die Nachricht von deinem Vater erhalten ... Wir beide hatten die Nachricht von deinem Vater erhalten, und damals war ich in einer Verfassung, dass es mir schwer genug fiel, mit dem eigenen Schmerz fertig zu werden. Bei der zweiten Sitzung ließ sich sogar Dax diese Erinnerung löschen, denn er wollte sich damals nicht damit auseinandersetzen. Was dich anging, so erschien es leichter, dich von diesem Schmerz zu befreien. Es bringt keinen Vorteil mit sich, wenn man leidet ...«
Cormac hatte die Fernbedienung schon zur Hand genommen und stellte das Video an dieser Stelle auf Pause, und er dachte lange und angestrengt über das nach, was sie bislang gesagt hatte. Am Ende des Krieges war ihm klar geworden, dass sein Vater nicht mehr heimkehren würde. Diese Tatsache hatte sich durch eine Art Osmose zwischen seinem achten und elften Geburtstag in den reifenden Verstand hineingearbeitet. Wäre es besser gewesen, damals schon zu wissen, dass sein Vater getötet worden war? Er fand schon. Hier wich er vollkommen von der Einschätzung der Mutter ab. Das Leben konnte, wenn man es wirklich leben wollte, manchmal wundervoll und manchmal hart sein, und er fand, dass man das Gute nicht richtig zu würdigen verstand, wenn man nicht auch das Schlechte erlebte. Er fand außerdem, dass man ein paar Gefühlsschwielen brauchte, wenn man im Leben vorankommen wollte. Hannah war selbstsüchtig gewesen und hatte ihn zu stark abschirmen wollen, aber das war im Laufe der Geschichte anscheinend stets ein Vorrecht der Eltern gewesen. Er ließ das Video weiterlaufen.
»... und Schmerz zu erleben, das macht einen nur härter, desensibilisiert einen. So dachte ich damals über all das. Heute ist mir klar, dass ich nur egoistisch war, wie eine Mutter, die einem widerspenstigen Kind Medikamente verabreicht, um es ruhigzustellen. Schmerz, ob nun körperlich oder geistig, dient immer dem Zweck, dass man ihn vermeiden lernt, aber wichtiger noch ist, dass man lernt, Mitgefühl mit dem Schmerz anderer zu haben. Wir brauchen Schmerz, um Menschen zu sein.«
Seine Mutter stieg unvermittelt in seiner Achtung kräftig an, und obwohl er ihr übelnahm, was sie getan hatte, konnte er ihr nur verzeihen.
»Ich füge dieser Nachricht eine Memoaufzeichnung der Erinnerungen bei, die aus deinem Bewusstsein gelöscht wurden. Sie umfassen drei Ereignisse. Es war allerdings nicht möglich, die ganzen kleinen Änderungen an deinem Gedächtnis mit aufzunehmen oder auch die natürliche Neigung des Geistes, Dinge in
Weitere Kostenlose Bücher