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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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von Informationen, denen man
Gestalt und Kontur gegeben hatte, damit sie sich vor Räubern
verteidigen konnten, die allenthalben die Matrix durchstreiften. Sie regten sich kaum, solange man sie in Ruhe ließ und
nicht aufscheuchte. Dann waren da die KIs: große, strahlende
Sonnen aus purer, sengender Energie. Kam man ihnen zu nahe, verbrannte man sich an ihnen die Flügel wie einst Ikarus
an der Sonne; wich man nicht zurück, verbrannten sie einem
das Bewußtsein wie trockenen Zunder. Der Mensch war nicht
geschaffen, das Antlitz der Medusa zu ertragen.
Zwischen den Datenbergen bewegten sich schwerfällig gewaltige Kreaturen; massive Dinosaurier mit schimmernden
Zähnen und Klauen, deren stampfende Schritte den Boden
erzittern ließen. Besitztümer großer Konzerne: groß, wild,
tödlich. Kleinere Firmen schossen zwischen ihren Beinen hin
und her, blitzschnell und stromlinienförmig, stets auf der Suche nach einer günstigen Gelegenheit und einem Zeichen von
Schwäche. Sie waren zu schlau, um direkt anzugreifen. Einen
großen Konzern zu Fall zu bringen war ein gefährliches,
kompliziertes Geschäft, das man besser wirklichen Bedrohungen überließ, wie zum Beispiel den Kyberratten. Man konnte
mehr als nur Daten in der Matrix verlieren; wenn ein menschliches Bewußtsein auf der glänzenden Ebene zerstört wurde,
dann überlebte der Körper das in der realen Welt auch nicht
lange.
Dram beobachtete den leuchtenden Blitz einer Kyberratte,
die um eine gewaltige, mit Dornen besetzte glitzernde Kugel
herumwieselte und nach einem Weg suchte, ihre Verteidigungseinrichtungen zu durchbrechen. In einiger Entfernung
prallten zwei gewaltige Dinosaurier gegeneinander und rissen
sich mit blutigen Klauen und Mäulern gegenseitig tiefe Wunden. Die Matrix hatte dem Begriff der ›feindlichen Übernahme‹ eine völlig neue Bedeutung verliehen. Kleinere Firmen
scharten sich um die Füße der beiden Giganten und hofften
auf herabfallende Brocken.
Dram drehte sich langsam um seine eigene Achse und suchte nach Löwenstein. Er mußte sich bewußt anstrengen, um
seine Konzentration nicht zu verlieren. In der Matrix gab es
Dinge, die weder Gestalt noch Form besaßen, aber sie waren
trotzdem da. Sie bewegten sich zwischen den Datenspeichern
und den anwesenden Besuchern wie Geister in einem Spukschloß. Gerüchte flammten wie Feuerwerke, und neue Trends
raschelten durch Unternehmen wie der Wind durch trockenes
Laub. Ein Büschel aus purpurnen Bändern wand sich um
Drams Schulter und flüsterte beschwörend in sein Ohr. Er
schüttelte es ärgerlich ab. Selbst in der Matrix war man vor
Werbung nicht sicher. Sein Blick streifte über die ausgeweideten Hüllen toter Unternehmen, die wertlosen Scherben, die
zurückgeblieben waren, nachdem man die einzelnen Teile
gewinnbringend verkauft hatte, und gelegentlich auch über
die leere Struktur einer geplünderten Datenbank. In der Matrix gab es überall Räuber. Dram runzelte die Stirn. Er hatte
ein gewisses Ausmaß an Zerstörung und Verwüstung erwartet, aber das hier überstieg seine Vorstellungen bei weitem.
Die Wertpapierbörse schien einen ziemlich schlechten Tag zu
haben.
Dann war Löwenstein plötzlich neben ihm, und er verbeugte
sich höflich.
Die Imperatorin war ein hell leuchtender Stern; eine silbern
gepanzerte Gestalt, zweimal so groß wie er selbst, mit strahlenden Augen und stählernen Ranken, die sich wie dorniger
Efeu um ihren Leib wanden. Bösartig aussehende Stacheln
ragten aus ihrem Rücken und ihren Fäusten: Aufrüstungen,
die ihr Körper in der realen Welt besaß. Löwensteins Selbstbild war schon immer sehr positiv gewesen. Und aggressiv. Er
hüstelte höflich, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Blasen stiegen aus seinem Mund und schwebten träge vor ihr
glänzendes Metallgesicht. Sie blickte zu ihm hinunter und
legte den Kopf leicht zur Seite wie ein Vogel, der einen Regenwurm beobachtet.
»Nach was genau soll ich eigentlich Ausschau halten?«
fragte er.
»Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß«, erwiderte sie
mit einer Stimme wie eine Messingglocke. »Irgend etwas, das
nicht normal ist.«
Dram hatte eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, aber er
verkniff sich die Antwort und zuckte statt dessen unbehaglich
die Schultern. »Sieht eigentlich alles ganz normal aus, oder
nicht? Alltag in der Matrix …«
Aber es war kein Alltag. Eine blaß leuchtende Struktur war
bereits seit einiger Zeit träge in ihre Richtung

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