Der eiserne Thron
in das düstere Licht auf der anderen Seite und
bedeutete ihm mit einem Wink, ihr zu folgen. Dram gehorchte
und runzelte hinter ihrem Rücken besorgt die Stirn. Seit er sie
kannte, war Löwenstein XIV. erst zweimal in seiner Gegenwart hinter dieser Tür gewesen. Es war ihr privater Zugang
zur Imperialen Matrix, dem kybernetischen Kollektiv aller
Imperialen Lektronen und KIs. Normalerweise machte sich
Löwenstein nicht die Mühe, selbst in die Matrix zu steigen.
Dafür hatte sie schließlich ihre Leute. Wenn sie niemandem
vertraute, das hier für sie zu erledigen, dann mußte es wirklich
eine ziemlich wichtige Sache sein. Sehr interessant. Dram
hatte nicht die geringste Ahnung, um was es ging. Und er hätte eigentlich informiert sein sollen.
Er folgte Löwenstein durch einen nackten Korridor mit metallenen Wänden, bis sie schließlich in einer auf Hochglanz
polierten stählernen Kammer herauskamen, die mit Rechnersystemen vollgestopft war. Die Lektronen erwachten bei der
Annäherung Löwensteins summend zum Leben, und die Dekkel der beiden Lebenserhaltungskapseln in der Mitte des
Raums glitten surrend zur Seite und enthüllten gepolsterte
Liegen. Dram verzog den Mund. Selbst hier verzichtete Löwenstein nicht auf ihren gewohnten Komfort. Er betrachtete
die Kapseln zweifelnd. Der Oberste Krieger hatte sich nie
wohl gefühlt, wenn er sie benutzen mußte; sie erinnerten ihn
zu sehr an Särge. Aber wenn man sein Bewußtsein schon in
die Matrix schickte, dann mußte der Körper geschützt und am
Leben erhalten werden, während man › abwesend ‹ war. Ganz
besonders, wenn es die Körper der Imperatorin und ihres
wichtigsten Beraters waren.
Löwenstein war unterdessen bereits in ihre Kapsel geklettert
und machte es sich bequem. Ringsum begannen Maschinen zu
summen, und überall blinkten Kontrolleuchten auf. Dram begab sich zögernd in die zweite Kapsel. Es war schon eine ganze Weile her, daß er zum letzen Mal persönlich in der Matrix gewesen war, und nach und nach fiel ihm auch der Grund
ein.
»Sag mir, daß es einen wichtigen Grund gibt, aus dem wir
das hier tun«, sagte er zur Decke über sich. »Ich hasse die
Vorstellung, daß ich mich nur wegen eines Einkaufstrips diesem Risiko aussetze.«
»In letzter Zeit sind ziemlich eigenartige Dinge in der Matrix geschehen«, erklärte Löwenstein, und in ihrer Stimme
war nicht die kleinste Spur von Fröhlichkeit. »Leute sind in
ihr verschwunden und nie wieder zurückgekehrt. Von ihrem
Bewußtsein fehlt jede Spur, sowohl in der Matrix als auch in
ihren Körpern. Was eigentlich unmöglich sein sollte. Und
dann sind Dinge an einem Tag da und am anderen wieder
nicht, und niemand weiß, warum. Stimmen sprechen in unbekannten Sprachen, und helle Lichter erstrahlen in Farben, die
noch nie jemand gesehen hat. Und als wäre das allein nicht
schon genug, halten sich hartnäckige Gerüchte, daß KIs aus
der Matrix in menschliche Körper übergewechselt sein sollen,
nachdem sie das ursprüngliche Bewußtsein zerstört haben,
und daß sie diese fleischlichen Hüllen benutzt haben, um sich
unerkannt unter den Menschen zu bewegen.«
»Aus welchem Grund sollten sie das tun?« fragte Dram.
»Sie würden nach dem Leben in der Matrix die Erfahrungen
des Menschseins als ziemlich einengend empfinden.«
»Vielleicht Freiheit. Oder Perversion. Oder Sensationslüsternheit, die sich in den Freuden des Fleisches verliert. Wer
weiß das schon? Was zählt, ist, daß Leute, denen ich in dieser
Beziehung vertraue, zu mir gekommen sind und berichtet haben, daß wir ein Problem mit der Matrix haben. Und wenn sie
recht behalten, stecken wir in ernsten Schwierigkeiten. Die
Matrix ist die Basis aller Kommunikation im Imperium. Ohne
Kommunikation fällt alles auseinander.«
»Moment mal«, unterbrach sie Dram. »Wie war das mit den
KIs? Reden wir hier von bestimmten KIs?«
»Mein erster Gedanke war, daß die Abtrünnigen von Shub
trotz all unserer Sicherheitsvorkehrungen irgendwie Zugang
zur Imperialen Matrix gefunden hatten und daß sie die gestohlenen Körper benutzten, um sich unentdeckt unter uns zu bewegen und uns auszuspionieren. Schließlich sind unsere eigenen KIs so programmiert, daß sie bestimmte Grenzen gar
nicht überschreiten können.«
» Shub -Agenten unter uns?« Dram runzelte die Stirn. Sein
Verstand raste. »Wir könnten sie mit Hilfe unserer Esper entdecken, aber sie benutzen vielleicht ESP-Blocker. Oder irgendein hochtechnologisches Äquivalent.
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