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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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das Gesicht seines Vorfahren verriet ebenfalls
keine Gefühle. Welchen Eindruck die Halle der Gefallenen bei ihm auch immer hinterlassen haben mochte, er verriet
nichts. Sie marschierten durch den schweigenden Wald, und
niemand durchbrach die vollkommene Stille durch unbedachtes Reden, bis sie plötzlich an einer Abzweigung anlangten.
Der Wolfling wandte sich nach links, und schnell erreichten
sie einen kahlen Felsen, einen gigantischen Felsbrocken, der
mehrere hundert Meter in die Höhe ragte: ein massiver Grabstein in der Mitte des Waldes.
Owen legte den Kopf in den Nacken, aber er konnte die
Spitze nicht erkennen. Der Wolfling legte seine große Hand
flach auf eine Stelle im Stein, und lautlos glitt ein Teil des
Felsens auf unsichtbaren Schienen zur Seite. Grelles weißes
Licht fiel von innen durch den Eingang. Der Wolfling marschierte direkt hinein. Nach kurzem Zögern folgten ihm die
anderen, und gemeinsam betraten sie die Halle der Gefallenen .
Es war eine gewaltige Höhle, mitten aus dem Stein gehauen,
und in ihr brannte ein weißes Licht, das aus keiner sichtbaren
Quelle zu stammen schien. Es kam von überall zugleich.
Nichts, das sich in irgendeinem Schatten hätte verbergen können. In die Wände waren Nischen gemeißelt worden, und darin befand sich alles, was von der Rasse der Wolflinge noch
übrig war. Einige der Leichname standen stolz und aufrecht,
die tödlichen Wunden offen und ungereinigt, die Körper noch
beinahe vollständig, trockenes verkrustetes Blut inmitten zerrissener, matter Felle. Bei anderen fehlten Glieder oder die
Köpfe, und der Rest waren Körperteile, einfach zusammengetragen, Tausende von ihnen, in Tausenden von Nischen, mit
blinden Augen und zum Schrei geöffneten Mäulern, aus denen kein Geräusch mehr drang. Schweigen, das weit über
Schweigen hinausging. Zerschlagen und zerschunden, und
ohne jede Spur von Leben. Owen drehte sich langsam im
Kreis. Sein Verstand drohte beim Anblick von soviel Tod und
Zerstörung auszusetzen. Zu viele zum Zählen, Körper, Körperteile, eine ganze Rasse, einfach ausgelöscht, weil sie zu gut gewesen war.
»Willkommen in der Halle der Gefallenen «, sagte der Wolfling. »Ich habe sie im Lauf vieler Jahre mit eigenen Händen
gebaut, weil niemand anderes mehr da war, der es hätte machen können. Es dauerte sehr lange, aber ich habe viel Zeit,
wenn schon nichts anderes. Ich sammelte die Toten ein, die
das siegreiche Imperium an Ort und Stelle hatte liegenlassen,
und ich brachte sie hierher, einen nach dem anderen. Ich bin
der letzte der Wolflinge, und ich will nicht, daß meine Rasse
in Vergessenheit gerät. Es ist eine traurige und bittere Ehre,
der letzte seiner Art zu sein, und es ist zugleich eine große
Verantwortung. Hat der Todtsteltzer Euch erzählt, wie sie
starben? Es macht nichts, wenn er es tat; er erinnert sich auf
seine Weise, und ich mich auf die meine. Wir waren stärker
und größer als die Rasse, die uns schuf, und in uns ruhte ein
Potential für die Zukunft, dem sie nichts entgegenzusetzen
hatten. Manchmal denke ich, sie hätten uns alles andere vergeben, nur nicht das. Und so kamen sie mit ihren Schiffen und
zerstörten unseren Planeten aus sicherer Entfernung. Die letzten Überlebenden versteckten sich in Tunneln tief unter unseren brennenden Wäldern, und sie mußten ihre Truppen landen, um uns zu jagen. Für jeden Wolfling, der starb, nahmen
wir hundert von ihnen das Leben. Doch sie waren einfach zu
viele, und wir waren nur noch wenige. Am Ende blieb ich als
einziger übrig.
Der Todtsteltzer kam einige Zeit danach hierher. Er suchte
einen sicheren Platz, wo er seinen Dunkelwüsten-Projektor verbergen konnte, und er fand mich. Er entschied sich, mich
am Leben zu lassen, und ich bin bis heute noch nicht sicher,
ob es ein Akt der Freundschaft oder ein letztes Drehen des
Messers in meiner Wunde war. Ich lebte weiter, errichtete
meine Halle der Gefallenen und sammelte meine Toten ein.
Ich fand sogar eine Verwendung für die Leichen der Menschen, die zurückgelassen worden waren. Sie gaben im Lauf
der Jahrhunderte gute Nahrung ab, immer und immer wieder,
und selbst nach endlosem Regenerieren schmecken ihre Proteine noch. Jetzt habe ich Euch lange genug mit meinen Worten aufgehalten. Das Labyrinth des Wahnsinns wartet. Wenn
Ihr bereit seid, werde ich Euch zum Eingang führen und Euch
seiner liebevollen Fürsorge überlassen.«
»Was genau ist das Labyrinth des Wahnsinns ?« fragte
Owen

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