Der eiserne Thron
überhaupt nicht an das verdammte Labyrinth zu denken.
Es dauerte wirklich nicht lange, bis Schwejksam herausfand, daß er das Labyrinth nicht mochte. Die Atmosphäre war
bedrückend, und die schmalen Wege zwischen den schimmernden Wänden erweckten allmählich ein unbehagliches,
klaustrophobisches Gefühl in ihm. Er fühlte sich wie in einem
Sarg. Der letzte Gedanke sorgte dafür, daß sich die Falten auf
Schwejksams Stirn noch weiter vertieften. Normalerweise
gehörten beengte Räumlichkeiten nicht gerade zu den Dingen,
die ihn erschreckten. Die vollgestopften Gänge und Quartiere
an Bord eines Raumschiffes sorgten dafür, daß jede Form von
Klaustrophobie rasch heilte, oder man wurde gefeuert. Aber
das Labyrinth … irgendwie schien es überwältigend.
Schwejksam fühlte sich beinahe wie eine Laborratte, die
durch das Labyrinth eines Wissenschaftlers huschte, ohne je
darauf hoffen zu können, ihre Umgebung zu begreifen. Es lag
weniger an der Größe des Labyrinths, sondern eher daran, daß
er sich so klein fühlte.
Plötzlich lag eine eigenartige Spannung in der Luft, ein untrüglicher Hinweis, daß etwas geschehen würde. Etwas sehr,
sehr Unangenehmes. Die Luft flimmerte, als sei sie kochend
heiß, aber es war bitter kalt. Es roch nach Essig und brennendem Laub. Öliges Metall und alte Limonen brannten auf
Schwejksams Zunge. Alle Farben schienen mit einem Mal
unnatürlich grell zu leuchten, und Schwejksams verzerrte Reflexion in den glänzenden Metallwänden war irgendwie
falsch. Monströs falsch. Er konnte das Zwitschern metallener
Vögel hören, das Schreien von Säuglingen, und eine vereinzelte eiserne Glocke schlug weit, weit entfernt. Schwejksam
schluckte mühsam und versuchte angestrengt sich zu konzentrieren, doch seine Gedanken schienen über das gesamte Labyrinth verstreut zu sein, und einige schienen überhaupt nicht
seinem Kopf zu entspringen.
Gräber blieb unvermittelt stehen, und Schwejksam hätte den
Esper beinahe umgerannt. Er hielt ebenfalls an und blickte
sich wachsam um. Frost kam heran, mit erhobenem Schwert
und schußbereitem Disruptor. Schwejksam konnte fühlen, wie
der Rest seiner Leute stolpernd anhielt. Niemand sprach ein
Wort, doch die Spannung lag so fühlbar in der Luft, daß sie
ihn beinahe erdrückte. Schwejksam blickte hoch, aber dort
war nur dieselbe undurchdringliche Finsternis zu sehen, die
sie bereits die gesamte Zeit über begleitet hatte. Er blickte
wieder auf die stählernen Wände, und sein Magen krampfte
sich schmerzhaft zusammen, als er bemerkte, daß der glänzende Stahl keine Reflexionen mehr zeigten, weder von ihm
noch von einem seiner Leute. Frost atmete rauh und stoßweise
an seiner Seite. Sie schien beinahe zu zittern vor Lust auf einen Feind, auf den sie sich werfen konnte. Gräber starrte unbeweglich geradeaus. Seine Augen quollen noch weiter hervor als gewöhnlich. Sein Blick war auf etwas fixiert, das nur
er alleine sehen oder fühlen konnte.
»Was ist los?« wollte Schwejksam barsch fragen, doch statt
dessen würgte er die Worte nur hervor. »Eine Falle?«
»Es weiß, daß wir hier sind«, erwiderte Gräber, und seine
völlig normale Stimme wirkte in der umgebenden Stille beinahe schmerzlich laut. »Es … es will uns nicht. Wir sind zu
… unflexibel. Wir sind nicht fähig, die Veränderungen zu
ertragen, die es an uns durchführen möchte. Wir würden den
Prozeß nicht überleben.«
»Wie weit sind wir vom Ausgang entfernt?« fragte
Schwejksam, indem er versuchte, sich auf das Wesentliche zu
konzentrieren. »Und wie weit sind die Rebellen vor uns?«
»Wir müssen umkehren, Kapitän.« Gräbers Stimme klang
flach und kompromißlos. »Es will nicht, daß wir weitergehen.
Es ist gefährlich für uns, hierzubleiben.«
»Wovon zur Hölle redet Ihr, Esper?« fauchte Frost. »Was
seht Ihr?«
Gräber wandte sich zu Investigator Frost um, und plötzlich
sickerte Blut aus seinen Augenlidern hervor und rann langsam
über seine Wangen wie purpurne Tränen. Dann explodierten
seine Augen mit einem weichen, nassen Geräusch, und Blut
und andere Flüssigkeiten spritzten über Frosts Gesicht. Sie
knurrte angewidert, aber sie wich nicht einen Zentimeter zurück. Blut floß in Strömen aus Gräbers Mund und Nase, aus
seinen Ohren und den leeren Augenhöhlen. Schwejksam
packte den Esper am Arm. Er schien förmlich zu Staub zu
zerfallen. Der Esper klappte zusammen und sank langsam und
würdevoll zu Boden, nur noch eine leere Hülle
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