Der eiserne Thron
behaupteten – und die meisten davon glaubten
es wirklich –, daß der Humor des alten Feldglöck noch viel
gefährlicher war als seine Wut. Feldglöck und SommerEiland waren von Geburt an Rivalen gewesen, und während
der langen zurückliegenden Jahre hatten sie zu ihrer nicht
gelinden Überraschung feststellen müssen, daß es einfacher
war, einen Feind zu mögen, den man bewunderte, als einen
Verbündeten, der aus familiären Gründen unterstützt werden
mußte. Der Dieb und der Ehrenmann, trotz aller Gegensätze
Freunde und so fest miteinander verbunden, wie Gegensätze
es nur sein konnten. Feldglöck fixierte Sommer-Eiland mit
einem nachdenklichen Blick und rückte ein wenig näher heran.
»Was bringt Euch nach all diesen Jahren hierher? Ich dachte, ihr wärt zu der Erkenntnis gelangt, daß Politik etwas für
niedrigere Stände wie meinesgleichen ist?«
»Meine Ansichten über diesen Hof haben sich nicht um ein
Jota geändert, Feldglöck. Ihr selbst seid der lebende Beweis,
mein Lieber. Wie viele bessere Leute habt Ihr unter Euren
Füßen zertreten, um Eure gegenwärtige Stellung zu erreichen?«
»Ehrlich gesagt – ich habe aufgehört zu zählen. Mit der Zeit
bekam ich Kopfschmerzen.«
Sommer-Eiland schüttelte bedächtig den Kopf. »Ihr verkörpert alles, was ich an diesem Hof verabscheue, und ich gehöre
zu der Sorte Mensch, die Ihr während Eurer langen Laufbahn
als Mörder und Doppelagent zertrampelt habt. Was haben wir
gemeinsam?«
Erneut brach Feldglöck in schallendes Gelächter aus. »Tote
Feinde, und das ist eigentlich schon alles. Wir haben einfach
jeden überlebt, der je versucht hat, uns zu töten. Wir haben
Herrscher kommen und gehen sehn, und wir waren Zeugen,
wie sich das Imperium immer weiter ausdehnte. Politische
Gruppierungen sind entstanden und vergangen, Geschäfte
blühten und sind verwelkt, aber wir sind noch immer da, unvergleichlich und unaufhaltsam. Mit wem sonst könnten wir
uns schon unterhalten, wer hat gesehen, was wir gesehen haben, gekämpft, wo wir gekämpft haben? Ich persönlich mag
Euch, weil Ihr nicht auf das Gewäsch von anderen hört. Ganz
besonders nicht auf mein eigenes. Und Ihr, Ihr schätzt es, die
Wahrheit zu hören, selbst wenn es Euch nicht gefällt, was sie
Euch verrät. Und Ihr wißt, woran Ihr mit mir seid, Roderick.«
Sommer-Eiland lächelte knapp. »Ihr habt schon immer zu
viel geredet, Crawford. Was machen Eure Söhne?«
»Sind wie Schmerzen im Hintern, wie immer. Wenigstens
haben inzwischen alle geheiratet und sind mit der Produktion
von Enkeln beschäftigt. Ansonsten sind sie zu verdammt
überhaupt nichts nutze. Ich könnte schwören, daß Finlay sich
durch schieren Überfluß an Mode umzubringen versucht.
Oder vielleicht will er ein Märtyrer werden. Manchmal wünsche ich mir, daß er endlich Erfolg damit haben möge, damit
ich mich nicht mehr laufend über ihn aufregen muß. Wenn er
nicht mein Ältester wäre, hätte ich ihn schon längst im Schlaf
erstickt. Sechs Jungen hatte ich vor ihm, alles gute, tüchtige
Söhne, aber alle starben bei Duellen, durch Verrat oder irgendwelche politischen Gründe. Sie sind tot und haben mich
mit Finlay als Erben zurückgelassen. Wenn der Gentest nicht
eindeutig bewiesen hätte, daß er mein eigenes Fleisch und
Blut ist, hätte ich schwören können, daß seine Mutter mir
Hörner aufgesetzt hat. Und die anderen Söhne sind noch
schlimmer, könnt Ihr Euch das vorstellen? Ich muß krank
gewesen sein, als ich diese Bastarde zeugte. Wenigstens hat
Finlay meinen Verstand geerbt, auch wenn er kaum davon
Gebrauch macht.«
Feldglöck unterbrach seinen Redeschwall und blickte
Sommer-Eiland unglücklich an. Seine Stimme senkte sich zu
einem schroffen Flüstern. »Ich habe vom Tod Eures Sohnes
gehört. Er hätte sich nie zu diesem Duell herausfordern lassen
dürfen. Er hatte nicht die Spur einer Chance.«
»Nein, das hatte er nicht«, stimmte der alte Sommer-Eiland
zu. »Aber ihm blieb keine andere Wahl. Es war eine Frage der
Ehre.«
»Ihr habt meine Frage noch immer nicht beantwortet«, hakte Feldglöck nach und wechselte das Thema mit soviel Takt,
wie er jemals aufzubringen imstande war. »Was hat Euch
nach all den Jahren Eures selbstauferlegten Exils zurück an
den Imperialen Hof geführt?«
»Ihre Majestät hat mich mit einer handgeschriebenen Einladung einbestellt. Sie schrieb, daß sie mir unbedingt jemanden
vorstellen möchte. Wie hätte ich da nein sagen
Weitere Kostenlose Bücher